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Panorama: Herzflimmern vor dem Walzer-Großereignis

Seit dem Regierungseintritt der FPÖ bleiben dem Traditionsereignis die prominenten Gäste wegUlrich Glauber Im traurigen Dackelblick von Richard "Mörtel" Lugner liegt aller Gram über die schlechte Welt. "Ich glaub¥, i krieg kaa Gescheite mehr", sorgt sich der Baumeister, der den Wiener Opernball in den vergangenen Jahren mit Prominenz von Sophia Loren über Raquel Welch bis Herzogin Sarah "Fergie" Ferguson verziert hatte.

Seit dem Regierungseintritt der FPÖ bleiben dem Traditionsereignis die prominenten Gäste wegUlrich Glauber

Im traurigen Dackelblick von Richard "Mörtel" Lugner liegt aller Gram über die schlechte Welt. "Ich glaub¥, i krieg kaa Gescheite mehr", sorgt sich der Baumeister, der den Wiener Opernball in den vergangenen Jahren mit Prominenz von Sophia Loren über Raquel Welch bis Herzogin Sarah "Fergie" Ferguson verziert hatte. In dieser Saison kann der Ingenieur, der 1998 mit seiner Kandidatur für die österreichische Präsidentschaft grandios gescheitert war, in seinem Wiener Einkaufszentrum eine Korbhandlung eröffnen.

Nach Catherine Deneuve sagte der italienische Altstar Claudia Cardinale dem publicitysüchtigen Baumeister den vereinbarten Besuch beim "Alles Walzer"-Großereignis ab. "Ich will mich nicht politisch vereinnahmen lassen", begründete sie ihren Entschluß. Kaum glaubt Lugner einen neuen Fang als Begleitung für den Ball am 2. März vermelden zu können, mußte er den nächsten Schlag einstecken. Auch Elvis-Gattin Priscilla Presley ließ den 67jährigen im Stich, obwohl sie in dessen "Lugner-City" ein Parfum hatte anpreisen wollen.

Österreich, das sich als Herz Europas fühlt, ist seit dem Regierungseintritt der rechtspopulistischen "Freiheitlichen" (FPÖ) vom Rest des Kontinents abgeschnürt. Das Herzflimmern zeigt sich am wichtigsten Gesellschafstereignis der Hauptstadt Wien. Absagen zum Opernball verderben selbst dem ersten Mann im Staat die Festlaune, obwohl er sich bis zuletzt gegen die neue Koalition von konservativer Volkspartei (ÖVP) und FPÖ gestemmt hatte. Wichtigster Gesprächsstoff war lange Zeit gewesen, ob Präsident Thomas Klestil mit Tochter oder Schwiegertochter zum Staatsball erscheint. Wegen einer verhängnisvollen Affäre ihres Gatten verweigerte Klestils erste Ehefrau Edith sämtliche Repräsentationspflichten.

Inzwischen ist Klestil geschieden und könnte mit der zweiten Ehefrau Margot gelassen aus der Präsidentenloge die 160 Debüttantenpaare auf dem Parkett begrüßen. Offiziellen Glanz sollte dem Ballbesuch des österreichischen Präsidenten mit der rot-weiß-roten Scherpe unter dem Frack am Donnerstag kommender Woche die Begleitung des portugiesischen Amtskollegen Jorge Sampaio verleihen. Aber das Staatsoberhaupt ließ aus Lissabon ausrichten, er und die gesamte portugiesische Regierung hielten gegenwärtig eine Visite in Österreich für unpassend. Selbst die Lieferung von 1500 Orchideen, die von der portugiesischen Insel Madeira kommen sollten, ist noch nicht gesichert. Dabei hatten die Organisatoren des Opernballs, der seit 1877 mit wenigen Unterbrechungen alljährlich im Fasching veranstaltet wird, sich für das Jahr 2000 so viel vorgenommen. Hausherr Ioan Hollender ist erstmals Gastgeber, nachdem die Wiener Staatsoper inzwischen selbständig wirtschaftet. Stil und Klasse sollte die Festivität zurückerhalten, die in den letzten Jahren immer mehr zur Werbeveranstaltung für die verschiedensten Firmen und Produkte verkommen ist. Um nach Hollenders Vorstellungen zum Ball der Oper wieder mehr Künstler zu bringen, strich das Organisatorenteam die Liste der Bezieher kostenloser Ehrenkarten gnadenlos zusammen - in Wien ein unglaublicher Frevel. Immerhin werden nun zu der "Afrikanerin-Quadrille" von Johann Strauß zum Auftakt des Balles eine ganze Reihe von Sängern und Schauspielern einziehen. Gerade die bekanntesten Darsteller machen allerdings kein Hehl aus ihrem Protest gegen die neue schwarzblaue-Regierung: Die Burg-Schauspieler Klaus Maria Brandauer und Karlheinz Hackl haben ihre Kartenreservierung zurückgezogen.

Dagegen wird das Duo Gürtler/Holender wohl die Erfahrung machen müssen, dass sich halbseidene Geschäftsleute auch mit noch so umsichtiger Kartenvergabe nicht fernhalten lassen. In der Illustrierten "News" kündigt jedenfalls der Verleger eines österreichischen "Erotik"-Magazins an, den Ball mit einigen Stars der Branche zu besuchen. Die deutsche Porno-Unternehmerin, Dolly Buster, die im letzten Jahr den Ball erstmals besuchte, möchte es der Wiener High Society zeigen. "Eigentlich wollte ich nicht mehr kommen, weil ich so viel Verachtung erfahren habe", meinte die gebürtige Pragerin in "News". 150 000 Mark Gage "von einem Fan", die sie allerdings an Aidshilfe, Obdachlose und eine Tierschutzorganisation spenden will, haben der erfolgreichen Unternehmerin die Entscheidung versüßt.

Trotz dieser edlen Gesinnung könnte auch Dolly Buster beim Zutritt zur Oper den Gegnern der Schau von Reichtum und Prominenz Angriffsfläche bieten. Denn im politischen Treibhausklima Österreichs könnte auch eine Institution ein Frühlingserwachen erfahren, die noch vor kurzem als fast schon verschieden galt. Die Wiener Polizei rechnet damit, dass sich an der legendären "Opernball-Demo" diesmal wieder mehrere tausend Menschen beteiligen.

Eine der Hauptpersonen, gegen die sich der Protest richten wird, will beim Opernball ebenfalls etwas demonstrieren: Kanzler Wolfgang Schüssel hat es als besonders perfiden Schachzug seiner politischen Gegner empfunden, dass die Falschmeldung verbreitet wurde, seine Frau sei aus Ärger über den Schmusekurs ihres Ehegatten gegenüber Jörg Haider aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Die Familientherapeutin erwägt eine Klage gegen die Medien, die diese "Ente" verbreiten.

Mit einem einträchtigen Besuch des Opernballs will das Ehepaar der Öffentlichkeit weit über die Grenzen Österreichs beweisen, dass von Ehekrise oder gar Scheidung keine Rede sein kann.

Ulrich Glauber

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