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Hochwasser: Straßendurchbruch rettet Gohlis

Eine erst vor vier Jahren errichtete Staatsstraße ist vor den Augen der wütenden Bewohner am Dienstag mit Baggern durchbrochen worden. Die Straße hatte ein Abfließen des Wassers verhindert.

Gohlis - «Sprengt sie endlich weg», ruft ein gutes Dutzend wütender Gohliser. Vor ihren Augen reißen Baumaschinen am Dienstag die erst vier Jahre alte Staatsstraße 88 in ihrem Ort auf, um für die meterhoch gestauten Wassermassen aus der Elbe einen Abfluss zu schaffen. Doch kommt das für viele Bewohner des sonst so idyllischen 600-Seelen-Örtchens bei Riesa in Sachsen zu spät. «Zwei Tage eher und unsere Häuser wären nicht zum zweiten Mal in vier Jahren voll Wasser gelaufen und zerstört worden», sagt Wolfgang Rudolph.

Der 54-Jährige von der Freiwilligen Feuerwehr stapelt seit dem Morgengrauen mit Helfern des Technischen Hilfswerks und der Bundeswehr unermüdlich Sandsäcke auf ein kleines Boot - das Gefährt ist die einzige Verbindung in das vom Wasser eingeschlossene Dorf. Sandwälle sollen im etwas höher gelegenen Zentrum der Gemeinde retten, was noch zu retten ist.

An vielen Häusern stehen noch Baugerüste der Jahrhundertflut von 2002. Ein paar letzte Pinselstriche - und die Spuren der Katastrophe wären in diesem Jahr endlich verschwunden gewesen. Schon damals hatte die erst wenige Monate zuvor eingeweihte Staatsstraße wie ein Damm das Elbwasser gestaut. «Ich wohne mein ganzes Leben in Gohlis und habe jede Menge Hochwasser erlebt, aber erst die Straße hat uns nasse Häuser beschert», sagt die 62-jährige Martina Maier. Ihr Nachbar sei 88 Jahre alt und ein Gohliser Urgestein. «Auch der hat 2002 erstmals nasse Füße und nasse Betten bekommen», erzählt sie.

Gleich mehrere Bewohner berichten wütend, wie Behördenvertreter noch am Samstag ein erneutes «Absaufen» des Dörfchens vor den Toren Riesas ausgeschlossen hatten. Es werde nicht so schlimm, hieß es vom Straßenbauamt, erzählen sie. «Schon da haben wir gesagt: "Reißt die Straße weg, sonst sind unsere Häuser verloren!"», sagt Feuerwehrmann Rudolph. «Die haben beim Bau Geld beim Hochwasserschutz gespart und uns dabei bewusst geopfert.» Eine Bürgerinitiative habe bereits Ende der 90er Jahre, als die Pläne für die Straße bekannt wurden, vor dem Problem gewarnt. Bis heute vergebens.

Am Sonntag hieß es bei vielen Bewohnern dann doch Land unter. Hoffnung brachte ihnen erst Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) am Montag zurück. Er sagte bei einem Besuch vor Ort den Durchbruch der Straße zu. Der Leiter des Straßenbauamtes Meißen-Dresden, Holger Wohsmann, kündigte unterdessen den Bau einer 108 Meter langen Brücke noch in diesem Jahr an, die dann dauerhaft das kritische Straßenstück ersetzen und einen Abfluss der Elbe bei Hochwasser ermöglichen soll. Kritik wies er aber erneut zurück: «Ursache des Hochwassers ist die Elbe und nicht die Straße.»

Seit Montagnacht 23.00 Uhr werden nun unermüdlich riesige Stahlträger in den Boden gerammt, um die Öffnung zu versteifen. Acht Meter breit wird das Loch, durch das in der Nacht zum Mittwoch das Wasser endlich ablaufen soll. Am Abend sollte der Durchbruch geschafft sein. Vorher wollte die Bundeswehr noch eine Behelfsbrücke über die «Wunde in einer neuen und wichtigen Straße» legen, wie das Bauamt sagt.

Die Elbe hat unterdessen einen Stand von etwa 8 Metern erreicht. Normal sind etwa 2,50 Meter. «Der Wasserstand wird aber höchstens um 40 bis 50 Zentimeter sinken», schränkt Wohsmann den Nutzen des Straßendurchbruchs ein. Die Feuerwehr schätzt, dass erst nach Ostern das Wasser vollständig abgeflossen sein wird. Dann hofften die Gohliser auf Hilfe, sagt Pfarrer Heiner Sandig. «Viele sind finanziell und seelisch angeschlagen. Ohne Hilfe droht vielen Familien das Aus.» (Von Denni Klein, dpa)

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