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Es wird einsam um ihn - auch in der CSU: Horst Seehofer.

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Horst Seehofer und die Maut: Der CSU-Chef ist ein Mann ohne Zukunft

Horst Seehofer fungiert als Lautsprecher der Koalition. Vielen gilt seine Kraftmeierei allerdings als Zeichen der Schwäche. Der Anti-Euro-Wahlkampf, Haderthauers Affäre, die Maut - der CSU-Chef scheint seine politische Zukunft hinter sich zu haben.

Von Robert Birnbaum

Dass er unberechenbar wäre – das kann man eigentlich nicht sagen. Es war höchstens eine Frage der Zeit, wann Horst Seehofer im Streit um die Maut das Gebrüll anstimmen würde. Das ganze Wahljahr hindurch hatte der CSU-Vorsitzende das „schnurrende Kätzchen“ gegeben, nach der Europawahl war nicht mal mehr ein Schnurren zu hören. Selbst im Urlaub hielt er still, als vereinigte Kräfte aus der Schwesterpartei CDU sein Lieblingsprojekt sturmreif zu schießen drohten. Jetzt donnert es aus Bayern: Sabotage, Ende der „politischen Schonzeit“ – was man so brüllt als bayerischer Löwe. Die Sache hat nur einen Haken: Selbst in der eigenen Partei finden sich zunehmend Leute, die hinter dem Kraftgemeiere mehr Schwäche sehen als Kraft.

Nach der verlorenen Europawahl heißt es über Seehofer: "Das bröckelt jetzt ab"

Es kommt da einiges zusammen. Seit der Europawahl, sagt einer aus der CSU-Führung, sei absehbar, dass es für den Chef nie mehr bergauf gehen werde: „Das bröckelt jetzt ab.“ Ein Sieg nach dem euro-kritischen Wahlkampf, und Seehofer wäre heute der Triumphator, den dann schon rechtzeitig jemand am angekündigten Rückzug zum Jahr 2018 hindern würde. Doch die Wahl war eine Pleite, und Seehofer ist seither kein Garant für Siege mehr.

Die Auswirkung ist auch deshalb so nachhaltig, weil der Anti-Euro-Wahlkampf mit Peter Gauweiler als Galionsfigur Seehofers ureigene Idee war. Christine Haderthauer war ebenfalls seine Idee. Die Ex-Generalsekretärin verdankt dem Chef ihre Karriere als Sozialministerin, zuletzt als Staatskanzleichefin. Als sie nach Wochen unerfreulicher Details aus der „Modellauto-Affäre“ zurücktreten musste, war das auch seine Niederlage – vielleicht zum ersten Mal in der langen Serie bayerischer Rücktritte von Guttenberg bis zur „Verwandten-Affäre“.
Die Maut ist vollends seine Idee. Seehofer hat im Wahlkampf seine Unterschrift unter den Koalitionsvertrag mit dem Projekt verknüpft. Seither hängt sein politisches Schicksal an diesem einen Vorhaben. „Wenn das scheitert“, sagt ein CSU-Spitzenmann, „kann er sofort aufhören.“ Kein Wunder, dass der CSU-Chef auf das Dauerfeuer gereizt reagiert.

Waffen für Kurden? Mit der CSU hat keiner darüber gesprochen

Auch da kommt aber wieder einiges mehr zusammen. So zornig wie ohnmächtig hatte Seehofer aus dem Urlaub verfolgen müssen, wie in Berlin Angela Merkel und Sigmar Gabriel Waffenlieferungen für irakische Kurden verabredeten, ohne diesen Schwenk auch nur mit der CSU abzusprechen. Die Wut des Bayern war weit größer als das Grummeln, das an die Öffentlichkeit drang. Aber selbst das Grummeln halten wichtige CSU-Politiker für ungeschickt. „Wenn ich derart ausmanövriert werde, dann rede ich mit Merkel ein paar deutliche Worte und halte ansonsten den Mund“, sagt einer. Stattdessen wisse jetzt jeder, wie wenig ernst die anderen Koalitionäre die CSU nähmen.
Verwunderung löst bei manchem auch die Art aus, wie Seehofer in Sachen Maut agiert. Wolfgang Schäuble der „Sabotage“ zu bezichtigen – nun gut. Aber musste er mit dem Satz „Wir sind nicht die FDP“ daran erinnern, wie erfolgreich der Finanzminister zu schwarz-gelben Zeiten das FDP-Herzensthema Steuersenkung hintertrieb? Schließlich weiß man, wie das Ganze endete – mit Guido Westerwelles Verzweiflungskrawall gegen „spätrömische Dekadenz“ und dem vorläufigen Ende seiner Partei. „Wir sind nicht die FDP“, findet ein CSUler: „Dann müssen wir uns nicht mit ihr vergleichen.“

Sie war Seehofers Frau - und stolperte über die Modellbau-Affäre.
Sie war Seehofers Frau - und stolperte über die Modellbau-Affäre.

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Derlei distanzierte Haltung zum Löwengehabe des Chefs hat freilich noch eine zweite, tiefere Ursache: Seehofer und Dobrindt stehen mit ihrer Maut ziemlich alleine da. Zwar weisen auch andere CSU-Politiker immer wieder darauf hin, wie populär bei ihren Wählern die Vergeltungsmaßnahme gegen die Maut-Gebühren in den Nachbarländern sei. Dobrindt wird am Montag beim Gillamoos-Volksfest denn auch bejubelt, als er von den 64 Euro erzählt, die er auf der Urlaubsfahrt zum Gardasee in Österreich und Italien gezahlt hat, und anfügt: „Aber die gleiche Selbstverständlichkeit verlange ich von denen, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen!“ Doch von dem Elan, mit dem die CSU zuletzt gemeinschaftlich das Betreuungsgeld verfochten hat, ist diesmal nichts zu verspüren. Vielmehr war Bayerns Innenminister Joachim Hermann der erste, der Zweifel an Dobrindts Alle-Straßen-Maut anmeldete – wegen der Sorgen in den bayerischen Grenzregionen um den lukrativen kleinen Grenzverkehr. Seehofer pfiff den Minister zurück. Er war dann aber selbst der erste, der an diesem Punkt Verhandlungsbereitschaft signalisierte.

Horst, was soll das Gebrüll?

Tatsächlich wird es ohne Kompromisse überhaupt nicht gehen. Schließlich mussten andere Koalitionäre bei ihren Lieblingsplänen ebenfalls einlenken – etwa mit Ausnahmen beim Mindestlohn oder bei der Frührente mit 63. Angela Merkel hat denn auch am Montag noch einmal versichert: „Dieses Projekt werden wir umsetzen.“ Aber die Kanzlerin hat im Sat1-Interview zugleich daran erinnert, dass es mit Grundgesetz und Europarecht verträglich sein müsse. Die „Diskussionen“ findet Merkel übrigens normal bei einem solchen ganz neuen Vorhaben. Was in klarem Deutsch so viel heißt wie: Horst, was soll das Gebrüll?

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