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Hochwassersäcke säumen die Straßen in Downtown Manhattan. Dort werden starke Überflutungen befürchtet. Fotos: Reuters(2),Getty Images/AFP (1)

© REUTERS

Hurrikan "Irene": New York geht in Deckung

Der Hurrikan „Irene“ hat die US-Küste erreicht. Menschen flüchten in Notlager. Flüge aus Deutschland abgesagt.

Kurt Gutenbrunner tut was man ihm sagt. Der aus Österreich stammende PromiKoch, einer der bekanntesten in New York, macht seine sechs Restaurants in Manhattan am Wochenende dicht. „Wenn erst einmal die Subway nicht mehr fährt, können meine Leute gar nicht zur Arbeit kommen“, sagt er. Kunden hätte er wohl auch keine, denn „fine dining“ dürften die wenigsten New Yorker im Sinn haben, wenn in den nächsten Stunden Hurrikan „Irene“ anrollt.

„Irene“ erreichte am Sonnabend die Küste von North Carolina und sollte sich weiter nach Norden bewegen.

Zwar ist Essen auch in den nächsten Tagen und im schlimmsten Unwetter wichtig, die meisten New Yorker planen aber eher mit Müsliriegeln, Cracker und Trockenfleisch. Die waren schon am Freitagabend in vielen New Yorker Supermärkten ausverkauft, Wasser und Softdrinks auch. Bei Wohle Foods im noblen Stadtteil Tribeca hasteten noch spät in der Nacht tausende Kunden durch fast leere Regale, in den Baumärkten rund um New York bot sich das gleiche Bild. Generatoren sind ausverkauft, Taschenlampen und Batterien sind die am meisten nachgefragten Artikel – nicht zuletzt, weil sie in jedem „Survival Kit“ auftauchen, den die US-Behörden auf ihren Internetseiten beschreiben.

Der New Yorker Bürgermeister Mike Bloomberg bewirbt seit Freitag die Packliste einer „Go Bag“: außer der Taschenlampe sollen die New Yorker ein batteriebetriebenes Radio bereithalten, ein Erste-Hilfe-Set, Wasser, Bargeld falls die Geldautomaten streiken, dazu Kopien wichtiger Dokumente wie etwa Reisepass und Führerschein. Ein Großteil der Bevölkerung hat mittlerweile gepackt, vor allem die New Yorker in strandnahen und niedrig gelegenen Gebieten.

Es handelt sich um eine beispiellose Massenevakuierung. Mindestes 375 000 wurden bereits aufgefordert ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen. Die Stadt hat 91 Notlager eingerichtet, die meisten in Schulen und Turnhallen. Da gibt es Schlafplätze, Nahrung und Strom. Spezielle Einrichtungen gibt es für Alte und Kranke, denn bis Freitag mussten auch fünf Krankenhäuser und fünfzehn Altenheime komplett geräumt werden.

„Wir hoffen, dass viele New Yorker bei Freunden oder Verwandten unterkommen können“, sagt Bürgermeister Bloomberg. Noch mehr hofft man allerdings, dass die New Yorker die Warnungen überhaupt ernst nehmen. Viele Menschen in der Metropole am Hudson haben eine gewisse Selbstsicherheit, die nur New Yorker haben und die einem in der Not zum Verhängnis werden kann. „Ich wohne hier schon seit dreißig Jahren“, sagt ein Mann im Interview mit einem Lokalreporter. „Mir ist noch nie etwas passiert.“

Den Behörden liegt im Vorfeld des Sturms vor allem daran, den Menschen klar zu machen, dass Irene eben kein normaler Sturm sein wird. Im Gegenteil: New York hat seit zwei Jahrzehnten keinen Hurrikan erlebt. Zum ersten Mal seit 1821 drohen weite Teile der Stadt überflutet zu werden.

Auch die U-Bahnen stehen still. Experten rechnen damit, dass die Tunnels geflutet werden. Doch nicht nur unterirdisch droht Ungemach. In zahlreichen Wolkenkratzern wurden Bewohner in den oberen Stockwerken aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen, da Scheiben bersten könnten. Versicherungen rechnen bereits Stunden vor „Irene“ mit Schäden, die noch die 45-Milliarden-Dollar-Katastrophe von „Katrina“ in den Schatten stellen könnten.

Nichts geht mehr seit Sonnabend im Flugverkehr nach New York. Während Starts noch möglich waren, wurden bereits um zwölf Uhr mittags (18 Uhr MESZ) wegen „Irene“ alle Flughäfen der Stadt für landende Maschinen geschlossen. 5000 Flüge wurden gestrichen. Weltweit dürften hunderttausende Reisende betroffen sein. Gestrichen wurden bereits gestern auch zwei Flüge aus Berlin. Die betreibende Behörde Port Authority of New York & New Jersey begründete die Maßnahme mit der spätestens ab Mitternacht geplanten Einstellung des öffentlichen Personennahverkehrs. Auf diese Weise solle sichergestellt werden, dass keine Reisenden an den Flughäfen stranden, hieß es.

In Berlin trafen am Morgen noch drei Flüge von Air Berlin, Delta und United aus New York ein. Die Rückflüge der beiden amerikanischen Gesellschaften starteten dann nicht mehr. Der nächste AirBerlin-Flug nach New York sollte heute stattfinden und wurde ebenso annulliert wie die beiden heutigen Flugpaare von Delta und United. Ein Flughafensprecher empfahl allen Reisenden, sich mit der jeweiligen Luftverkehrsgesellschaft in Verbindung zu setzen. Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt gab es gestern nur vier Flugstreichungen, alle sonstigen US-Flüge hatten andere Städte zum Ziel. Heute wird sich die Zahl der Ausfälle nach Angaben eines Sprechers verdoppeln, da auch die Flughäfen von Boston und Philadelphia geschlossen werden. Allein bei der Lufthansa mussten gestern sieben Flüge ab Frankfurt, München und Düsseldorf nach New York und zurück abgesagt werden. Heute werden es elf sein. Allein hier dürften knapp 10 000 Reisende betroffen sein. Sie können ihre Flüge kostenlos umbuchen oder stornieren. Bis zum 5. September haben dazu auch betroffene Passagiere der Air Berlin die Möglichkeit. Die Gesellschaft musste neben der heutigen Berlin-Verbindung auch zwei für gestern und heute geplante New-York-Flüge ab Düsseldorf absagen.

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