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Panorama: In 33 Stunden nach Tokio

Ungewohnter Lärm schreckte am Nachmittag des 2. Mai 1952 die Anwohner des Londoner Heathrow-Airports auf.

Ungewohnter Lärm schreckte am Nachmittag des 2. Mai 1952 die Anwohner des Londoner Heathrow-Airports auf. Um 15 Uhr startete eine "Comet 1" der British Overseas Airways Corporation (BOAC) mit 36 Passagieren an Bord zum ersten kommerziellen Linienflug eines Verkehrsflugzeuges mit Strahltriebwerken anstelle der bis dahin üblichen Kolbenmotoren. Mit dem Beginn des "Düsenzeitalters" begann heute vor 50 Jahren die Karriere des Flugzeugs als Massenverkehrsmittel. Doch für ihre Führungsrolle bezahlten die Briten einen hohen Preis.

Bei vier spektakulären Abstürzen kamen binnen kurzer Zeit 110 Menschen ums Leben. Im internationalen Wettrennen um den ersten Verkehrsjet hatte die britische Firma de Havilland einen entscheidenden Vorsprung. Bereits 1949 startete der Prototyp der "Comet 1" zum Jungfernflug. Die vier Ghost-Triebwerke machten einen Höllenlärm. Sie verschafften der Maschine eine Höchstgeschwindigkeit, die mit rund 840 Stundenkilometern deutlich über Propellerflugzeugen lag. Wegen der großen Flughöhe von bis zu 13 Kilometern verfügte sie als eines der ersten Verkehrsflugzeuge über eine hermetisch abgeschlossene Kabine, in der durch das Einblasen von Luft Druckverhältnisse wie in Bodennähe erzeugt werden. Die 10 810 Kilometer lange Route von London nach Johannesburg wurde in "nur" 23 Stunden und 23 Minuten bewältigt. Wegen der noch bescheidenen Reichweite waren Zwischenlandungen in Rom, Beirut, Khartum, Entebbe und Livingstone erforderlich. Die "Comet" revolutionierte den Luftverkehr, reduzierte beispielsweise die Reisezeit zwischen London und Tokio von dreieinhalb Tagen auf 33 Stunden.

Doch dann überschattete eine Serie spektakulärer Unfälle die Euphorie. Im März 1953 starben in Karachi (Pakistan) alle elf Menschen an Bord, als der Pilot eine "Comet" beim Start zu steil nach oben zog und mit dem Heck den Boden streifte. Zwei Monate später brach eine Maschine nach dem Start in Kalkutta in einem Gewittersturm auseinander und riss 43 Menschen in den Tod. Am 10. Januar 1954 zerplatzte die nächste "Comet" in der Luft und stürzte mit 35 Menschen an Bord südlich von Elba ins Mittelmeer. Nach zehnwöchigem Flugverbot und über 60 Modifikationen glaubte man, alle Ursachen beseitigt zu haben.

Doch bereits am 8. April 1954 explodierte südlich von Neapel eine "Comet" der South African Airways mit 21 Insassen, der erste Jet der Welt wurde erneut aus dem Verkehr gezogen. Das Wrack der bei Elba abgestürzten Maschine wurde geborgen und zur Untersuchung nach England gebracht. Parallel dazu kam dort der Rumpf einer neuen Maschine für Drucktests in einen riesigen Wassertank. Bereits nach kurzer Zeit entstanden Risse an einer Nietenreihe. Die weiteren Ermittlungen brachten Gewissheit: Eine schnelle Materialermüdung hatte das Metall brechen und die Druckkabinen wie eine aufgeblasene Papiertüte platzen lassen.

Im folgenden Gerichtsverfahren wurde den Konstrukteuren der "Comet" bescheinigt, alle bis dahin bekannten Vorschriften für den Bau von Flugzeugen mit Druckkabinen berücksichtigt zu haben. Die Folge war eine weltweite Erforschung der Materialermüdung von Metallen, von deren Ergebnissen die Konkurrenzfirmen profitierten. Als 1954 die verbesserten Modelle "Comet 3" und "Comet 4" an den Start gingen, flog in den USA mit der Boeing 707 bereits ein größerer und schnellerer Konkurrent.

Rainer W. During

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