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Panorama: In flagranti

Ein Sprecher des US-Heimatschutzministeriums wurde wegen Verführung Minderjähriger verhaftet

Das von Affären erschütterte Ministerium für Heimatschutz hat nach dem Versagen bei der Hurrikanhilfe in New Orleans seinen nächsten Skandal: Vizepressesprecher Brian Doyle wurde am Mittwoch verhaftet, weil er eine Internetbekanntschaft, die er für ein 14-jähriges Mädchen hielt, zu sexuellen Handlungen verführen wollte. Ihr Profil hatte der 55-Jährige auf einer der unzähligen Internetseiten für erotische und sonstige Bekanntschaften gefunden. Er hatte ihr pornografische Bilder geschickt und sie dazu bringen wollen, eine WebKamera an ihrem Computer zu installieren, damit er sie via Internet bei sexuellen Handlungen beobachten kann. Da griff die Polizei ein, die angebliche 14-Jährige war eine Undercover-Agentin. Doyle hatte es der Polizei leicht gemacht. Im Gegensatz zu vielen Tätern, die im Internet unter falschen Identitäten surfen, hatte er der vermeintlichen 14-Jährigen seinen Namen und die dienstliche Telefon- und Handynummer gegeben.

Amerika ist ohnehin aufgeschreckt über Kinder- und Jugendpornografie im Internet. Am Dienstag hatte der heute 19-jährige Justin Berry vor einem Kongressausschuss ausgesagt, wie er als Jugendlicher schleichend von Internetbekanntschaften zu sexuellen Handlungen vor der Kamera verführt worden war und schließlich selbst fünf Jahre lang ein lukratives Geschäft mit pornografischen Bildern von sich selbst und anderen Minderjährigen betrieben hatte. Kurt Eichenwald, ein investigativer Reporter der „New York Times“, hatte die Kongressuntersuchung mit einem langen Artikel im Dezember angestoßen. Er war bei seinen Recherchen auf Berry gestoßen und hatte ihn über sechs Monate begleitet, bis der Jugendliche bereit war, gegen seine rund 1500 Kunden auszusagen und die Strafverfolgung in Gang zu bringen.

Berry verlas seine Aussage am Dienstag im Ausschuss über lange Strecken mit gefasster Stimme, endete aber mit einem emotionalen Appell: „In dieser Minute werden hunderte Kinder in den USA über das Internet in diesen Strudel hineingezogen. Ich wette: In jedem ihrer Wahlkreise sitzt gerade ein Kind oder Jugendlicher nackt vor der Web-Kamera und lässt sich von erwachsenen Sexualverbrechern verführen.“

Berrys Schilderung deckte sich mit den Aussagen von Kinderpsychologen in der Anhörung. Vielen Jugendlichen fehlen die normalen sozialen Kontakte mit Familie und Freunden, zumal wenn beide Eltern berufstätig sind und Geschwister fehlen. Im Internet finden sie Ersatz. Es fängt harmlos an mit angeblich rein menschlichem Interesse, Lob und Anerkennung. Allmählich entwickeln sich die Internetbekanntschaften zu einem engeren und oft auch intimeren Verhältnis als in der eigenen Familie – und das in einem Lebensabschnitt, in dem die Sexualität erwacht, erläuterte Sharon Cooper von der Universität North Carolina.

Berry sagte, er sei verwundert gewesen, wie lange es zum Teil gedauert habe, bis die Verfolgung seiner Kunden begann, obwohl er den Behörden Namen und Kreditkartennummern gegeben hatte. Manche hätten sich noch bei ihm gemeldet, sich über ihn lustig gemacht oder ihn bedroht.

Die Strafverfolger verteidigten sich. Es sei teilweise ungeklärtes juristisches Terrain, wie man der Spur des Geldes über Kreditkarten- und Telefongesellschaften sowie Internetbetreiber folgen dürfe.

Das Geschäft mit sexuellen Bildern von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen wird allein in den USA auf 20 Milliarden Dollar geschätzt. Prostitution ist offiziell verboten. Eine legale Welt sexueller Dienstleistungen in Sexkinos, Bars und Saunaclubs, wie sie sich aus den Anzeigen in europäischen Boulevardzeitungen ableiten lässt, gibt es in Amerika so nicht. Doch wer im Internet unter einschlägigen Begriffen sucht, findet einen heimlichen Kosmos erstaunlichen Ausmaßes. Der Kongress möchte diese Aktivitäten nun gesetzlich einschränken.

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