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Italien: Lebenslänglich für zehn SS-Soldaten

Im Prozess um ein Nazi-Massaker in Italien hat das Militärgericht in La Spezia zehn ehemalige deutsche SS-Soldaten in Abwesenheit zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Bei dem Verfahren ging es um die Ermordung von 560 Zivilisten im August 1944 in der toskanischen Gemeinde Sant'Anna di Stazzema.

La Spezia (22.06.2005, 21:02 Uhr) - Die Richter verkündeten das Urteil am Mittwochabend nach über einjährigen Verhandlungen. «Wir wollen keine Rache, sondern Gerechtigkeit», kommentierte der Bürgermeister der Ortschaft, Michele Sillicani, das Urteil. »Endlich haben wir jetzt Gerechtigkeit.» Auch Angehörige der Opfer äußerten sich am Abend befriedigt über das Urteil.

Die Staatsanwaltschaft hatte wegen Mordes in besonderes schweren Fällen für alle zehn Angeklagten lebenslange Haft gefordert. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Die ehemaligen SS- Soldaten sind heute über 80 Jahre alt und leben in Deutschland. Unter ihnen sind die ehemaligen SS-Offiziere Gerhard Sommer, Alfred Schönenberg und Ludwig Sonntag.

Die Angeklagten waren alle nicht vor Gericht erschienen, weil Deutschland keine eigenen Staatsbürger ausliefert. Allerdings ermitteln seit längeren auch deutsche Behörden wegen des Massakers in Sant'Anna.

Bei dem Massaker durch Angehörige der SS-Panzerdivision «Reichsführer SS» kamen im August 1944 etwa 560 Zivilisten ums Leben, darunter viele Frauen und Kinder. Nach Berichten von Augenzeugen erschossen die Angehörigen der Einheit ihre hilflosen Opfer mit Maschinengewehren und warfen Handgranaten auf sie. Später seien die Leichen in Brand gesteckt worden. Wegen der Abwesenheit der Angeklagten hatten italienische Kommentatoren von einem «eher symbolischen als streng juristischen Prozess» gesprochen.

Die Staatsanwaltschaft in Stuttgart erklärte am Mittwoch, sie ermittle wegen des Massakers in Sant' Anna bereits seit 2002. Es gehe um mehr als zehn Verdächtige. Wie lange die Recherchen noch dauern, sei unklar. «Die Ermittlungen sind problematisch, weil jedem Einzelnen nachgewiesen werden muss, in welcher Weise er ganz konkret beteiligt war», sagte eine Sprecherin der Behörde.

Wie zahlreiche andere Naziverbrechen wurde das Massaker von Sant'Anna von den italienischen Behörden über Jahrzehnte nicht verfolgt. In Rom heißt es, Prozessakten seien über Jahrzehnte bei den Behörden verschwunden, zahlreiche Verfahren «versandet». Italien habe in der Zeit des Kalten Krieges aus politischen Gründen auf die Verfolgung von Nazi-Verbrechen verzichtet. Einer der Gründe für die Vertuschung sei es etwa in den 50er Jahren gewesen, die Wiederbewaffnung Deutschlands nicht gefährden zu wollen. (tso)

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