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Die Beerdigung des Mafiaboss Vittorio Casamonica außerhalb der Don Bosco Kirche in Rom am 20. August 2015.

© dpa

Italien: Prunk-Beerdigung für Mafiaboss erschüttert Rom

Die als Machtdemonstration inszenierte Beerdigung eines Paten entsetzt Italiens Hauptstadt. Und keiner will etwas gewusst haben.

Es ist ein Trauerzug der Extraklasse. Über die Via Tuscolana, eine der wichtigsten Ein- und Ausfallstraßen Roms, wälzt er sich in die Stadt hinein. Voran eine Flotte sündteurer, hochglanzpolierter Geländelimousinen, dann – mit dem Sarg, gezogen von sechs Rappen – eine schwarze Kutsche, überquellend von Schnitzwerk, teils vergoldet, in schwerstem neapolitanischem Barock. Kinder, die Blumen streuen, hunderte von Menschen im Gefolge. Plakate, die den Toten als “König von Rom” rühmen und riesige Poster, die ihn zeigen in weißem Hemd, weißem Anzug und Brustkreuz, wie sonst nur der Papst auftritt. Über dem Kirchplatz kreist ein Hubschrauber, der Rosenblütenblätter in dicken, roten Wolken abwirft. Weithin stockt der restliche Verkehr im weltberühmten Kino-Stadtteil Cinecittà, und eine Blaskapelle spielt Filmmusik aus „Der Pate“.

Schräg? Passend. Denn derjenige, der da an diesem heißen Augusttag so pompös zu Grabe getragen wurde, war einer der bekanntesten, ältesten Mafiabosse Roms: Vittorio Casamonica, mit 65 Jahren gestorben an Krebs. Und die minutiös durchgeplante, auf Publikumswirksamkeit bedachte Inszenierung, die sein etwa tausendköpfiger Clan da hinlegte, sie war eine einzige Provokation, eine Herausforderung an den Staat; darüber sind sich in Rom alle einig.

Keiner hat was gewusst

Nun herrscht in der traditionell sommer-verschlafenen Stadt blankes Entsetzen: Wie konnte so etwas passieren? Wie konnte es “ungehindert zu einer derart unakzeptablen, alarmierenden Zurschaustellung mafiöser Macht“ kommen?“ fragt die Präsidentin des parlamentarischen Antimafia-Ausschusses, Rosy Bindi. „Entstellt“ sei das Antlitz der Ewigen Stadt, tönen gleich mehrere Politiker; “eine miserable Figur vor der ganzen Welt“ habe Rom da gegeben.

Die Parlamentarierin Bindi argwöhnt, es habe “einen gewissen Konsens” zugunsten der Casamonica gegeben. Denn es ist schon seltsam, dass keiner gewusst haben will, was sich da abspielte: die städtischen Polizisten nicht, die den eigentlich auffälligen Leichenzug acht Kilometer weit eskortierten; der Pfarrer nicht, der nur sagte, bei der Trauermesse selbst sei „alles ruhig gewesen“, und was sich vor seinem Kirchengebäude abspiele, das gehe ihn nichts an. Keine Behörde will den Hubschrauberflug genehmigt haben. Geschlafen oder zumindest weggeschaut haben offenbar auch alle römischen Mafia-Fahnder. Denn bei der sizilianischen Cosa Nostra oder der kalabrischen ‘Ndrangheta – so sagt ein Polizeioffizier – wäre das öffentliche Begräbnis eines Bosses niemals zugelassen worden, schon gar nicht ein so demonstratives. Und das alles passierte exakt in den Wochen, in denen Rom auf seinen ersten Großprozess gegen die “Hauptstadt-Mafia” zusteuert. Das Thema sollte also genügend Aufmerksamkeit geweckt haben – nicht zuletzt wegen der kriminellen Beteiligung einer ganzen Riege städtischer Politiker.

Die Casamonica – das ist ein aus den Abruzzenbergen zugewanderter, seit den siebziger Jahren in Rom sesshafter Sinti-Clan. Ein Vermögen – 90 Millionen Euro laut polizeilichen Schätzungen – haben sie gemacht mit einem zeitweise monopolartig über die nachfragestarke Millionenstadt ausgebreiteten Rauschgifthandel, mit Zinswucher und dem rüden Eintreiben von Schulden im Auftrag dritter, auch nicht unbedingt strafrechtlich lupenreiner Geschäftemacher.

“Ach, wissen Sie, ich bin nur ein Zigeuner, der Autos verkauft."

Geschossen haben die Casamonica, so weit die Ermittler wissen, nie. Das wäre zu auffällig gewesen. Sie setzten dafür auf rohe, unmittelbar körperliche Gewalt. Dass aus ihren Reihen ein italienischer Meister und Olympiateilnehmer im Boxen hervorging, ist kein Wunder; dass derselbe jetzt wegen vergleichsweise unsportlicher Betätigungen im Gefängnis sitzt, auch nicht.

In den jüngsten Gerichtsakten hält die Anklage fest, jenes Stadtviertel in Roms Osten, wo die Casamonica ihren Wohnsitz und ihre Drogenzentrale hätten, sei derart abgeschirmt, dass sich auch die Polizei nicht hineinwage. Der jetzt gestorbene Clanchef Vittorio Casamonica allerdings behauptete regelmäßig, von kriminellen Geschäften nichts zu wissen: “Ach, wissen Sie, ich bin nur ein Zigeuner, der Autos verkauft. Als Familie haben wir immer schon mit Pferden gehandelt.“

Zwar melden römische Zeitungen im Abstand von etlichen Jahren immer wieder, der Polizei sei „ein entscheidender Schlag“ gegen die Casamonica gelungen, oder der Clan sei gar „enthauptet“ worden. In der Tat haben die Mafiafahnder etliche Familienmitglieder festgesetzt, die meisten aber nur vorübergehend; sie haben  Luxusautos zugunsten des Staates eingezogen oder Luxusvillen beschlagnahmt, in denen die Casamonica ihren Reichtum so grell zur Schau stellten wie in einem Hollywood-Film, zum Teil mit vergoldeten Wasserhähnen und nachgemachten griechischen Säulen. Dem Clan selbst allerdings kam niemand bei. Wenn es dafür noch eines Beweises bedurft hätte: Die Beerdigungs-Show hat ihn geliefert.

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