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Jackson-Prozess: Zähes Ringen um ein Urteil

Alle Welt wartet und schaut auf die zwölf namenlosen Männer und Frauen, die über Michael Jacksons Schicksal befinden.

Santa Maria (09.06.2005, 09:54 Uhr) - Die werden sich mit ihrer Entscheidung bestimmt Zeit lassen, frotzelte der Prozessbeobachter Ron Richards. «Sie genießen doch jede Minute davon, einmal berühmt zu sein.» Längere Beratungen würden sich später auch besser auszahlen, wenn sie ein Buch schreiben oder einen Film-Deal aushandeln wollten, sagte Richards dem Sender MSNBC. Hätte der Jurist Daniel Horowitz mit seiner Prognose Recht behalten, so wäre das Urteil schon am Montag gefallen. Er prophezeite einen blitzschnellen Freispruch. Es gehe doch nur um die Frage «Glauben die Geschworenen dem jungen Mann oder glauben sie Michael?».

«Wir sollten keine Rückschlüsse auf das mögliche Urteil ziehen», warnte ein Prozessbeobachter des Senders FoxNews mit Blick auf die Länge der Urteilsfindung. In dem spektakulären Mordprozess gegen den amerikanischen Footballstar O.J. Simpson vor zehn Jahren hatte sich eine Jury in Los Angeles überraschend schnell geeinigt. Nach nur vierstündigen Beratungen war Simpson vom Vorwurf des Doppelmordes frei gesprochen worden. Die Jury im Mordprozess gegen den Sektenführer Charles Manson brauchte 1971 eine ganze Woche für den Schuldspruch.

Die Jackson-Geschworenen müssen Fleißarbeit leisten. Allein 98 Seiten ist der Leitfaden stark, den Richter Rodney Melville ihnen an die Hand gab. Er lese sich wie ein schwieriger Test für Jurastudenten, befand ein Justizexperte. So verbergen sich hinter dem ersten Anklagepunkt «Verschwörung zur Entführung und Freiheitsberaubung» 28 verschiedene Einzeltaten, über die die Jury befinden muss.

In puncto sexuellen Missbrauchs sind auch frühere Vorwürfe von Jungen aus den 90er Jahren in Betracht zu ziehen. Sie unterliegen aber nicht dem strengeren Maßstab «jenseits eines vernünftigen Zweifels», den die Geschworenen bei den aktuellen Vorwürfen eines 13- Jährigen aus dem Jahr 2003 ansetzen müssen. «Ein Laie kann diese feinen Unterschiede doch gar nicht begreifen», zitiert die «Los Angeles Times» den Rechtsexperten Craig Smith.

Von den zwölf Geschworenen, darunter eine 79-jährige Großmutter und eine 45 Jahre alte Verkäuferin, haben nur drei einen Universitätsabschluss. Ein 63-jähriger Jugendberater hat als Vorsitzender des Gremiums das Kommando übernommen. Er muss eingreifen, wenn die Diskussionen stocken oder zu hitzig werden. Er soll während des Prozesses die meisten Notizen und ein ernstes «Pokergesicht» gemacht haben. Weicht nur ein Jurymitglied von den elf anderen an, könnte das ganze Verfahren platzen. In jedem der zehn Anklagepunkte muss ein einstimmiges Urteil getroffen werden.

Aus dem fensterlosen Tagungsraum im Gericht von Santa Maria dringt kaum etwas nach draußen. Am Montag um 9.50 Uhr wandte sich die Jury mit einer Frage an den Richter - mit dieser mageren Erklärung mussten sich die über tausend Journalisten seit Beginn der Juryverhandlungen am letzten Freitag zufrieden geben. Der Mangel an «News» führt dazu, dass die beiden weißen Minibusse, mit denen die Juroren täglich vorfahren, gründlich inspiziert werden. Sehen die Insassen müde aus? Was haben sie heute an?

Am Mittwoch waren sie besser gekleidet als am Vortag, bemerkte eine CNN-Kommentatorin und sagte eine Urteilsverkündung für diesen Tag voraus. Schließlich wollten auch Juroren einen guten Eindruck machen, wenn Kameras aus aller Welt auf sie gerichtet sind. Die Prognose war falsch. Das Warten und Spekulieren geht weiter. (Von Barbara Munker, dpa)

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