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Panorama: Jünger des Todes

"Woher wollen Sie wissen, dass meine Frau tot ist?" Die Antwort des ungarischen Polizisten kommt ohne Zögern: "Weil alle Lebenszeichen, die wir seit 1986 von ihr hatten, gefälscht waren.

"Woher wollen Sie wissen, dass meine Frau tot ist?" Die Antwort des ungarischen Polizisten kommt ohne Zögern: "Weil alle Lebenszeichen, die wir seit 1986 von ihr hatten, gefälscht waren." Der Angeklagte, der seinem indignierten Verteidiger das Heft aus der Hand genommen hat, zieht die Augenbrauen hoch: "Diese Antwort", schnarrt er tadelnd, "ist nicht ausreichend." Der Polizist will wissen, ob der Angeklagte denn Beweise habe, dass seine Frau noch lebe. "Ich werde des Mordes beschuldigt und muss meine Unschuld nicht beweisen", schnarrt es zurück. "Erst müssen Sie beweisen, dass sie tot ist, dann werde ich beweisen, dass sie noch lebt."

Seit einer Woche steht in Brüssel der einst aus Ungarn stammende Pfarrer Andras Pandy wegen sechsfachen Mordes an vier seiner Kinder und zwei seiner Ehefrauen vor Gericht. Der Prozess hat in Belgien großes Aufsehen verursacht. Das liegt an den grausigen Delikten, aber auch an der Tatsache, dass die Polizei den Hinweisen der Tochter lange Zeit nicht nachging. Das änderte sich erst, als Polizei und Justiz im Zuge des Dutroux-Skandals unter Druck gerieten.

Der Prozess scheint dem Pfarrer nicht sonderlich viel auszumachen. Schon während der Verhöre durch die Ermittlungsbeamten habe er versucht, die Regeln zu bestimmen und festzulegen, worüber er verhört werden sollte, sagten belgische Kriminalbeamte aus, die die Untersuchungen leiteten. Über Waffen, die bei einer Haussuchung im Keller eines seiner Brüsseler Häuser gefunden wurden, habe er erst aussagen wollen, wenn zuvor eine Liste von zwölf von ihm festgelegten Verhörthemen von den Beamten abgearbeitet worden sei. "Üblich ist das bei unserer Arbeit nicht", klagten die Fahnder.

Bis heute bestreitet der despotische Familienvater, der mit einer seiner Adoptivtöchter aus zweiter Ehe ein Kind hat, dass seine sechs spurlos verschwundenen Familienmitglieder nicht mehr leben. Über Engel vekehrte er mit ihnen, verkündete er ungerührt zu Beginn des Proesses: "Sie melden sich erst, wenn der Prozess vorbei ist und ich freigesprochen worden bin."

Ganz anders sieht das die Mitangeklagte und Hauptbelastungszeugin, seine Tochter Agnes Pandy. Drastisch schilderte sie dem Gericht, wie sie die Opfer mit ihrem Vater zusammen erschossen, mit einem scharfen Rohrreiniger aufgelöst und die übriggebliebenen Knochen in der Nähe eines Schlachthauses in Anderlecht verstreut habe. Eine Rekonstruktion der Ermittlungsbehörden ergab, dass dieses Vorgehen funktionierte. Die ungarischen Ermittler berichteten von einem Zeugen, der bei Pandy gearbeitet habe und dem der Pfarrer von zersägten Leichen erzählt und den Rohrreiniger demostriert habe. Nicht weniger makaber sind auch die Details der belgischen Ermittler. Bei einer Haussuchung fanden sie das Tagebuch Pandys, in dem vor einer Tötung immer Einträge über heftiges Sägen im Keller waren: "Wir haben wieder kräftig Holz gesägt." Agnes berichtete den Ermittlern, die Sägespäne seien um die Leichen herum ausgestreut worden, um das Blut aufzusaugen, das beim Zersägen der Körper ausgetreten sei. An einer Stelle des Tagebuchs findet sich so auch der Hinweis, nun sei die Säge stumpf geworden.

Die Beweislage mag sich makaber ausnehmen, eindeutig ist sie nicht. Zwar wurden in Pandys Keller auch Leichenteile gefunden - doch stammen sie nicht von den Verschwundenen. Timea Pandy, die Adoptivtochter Pandys aus zweiter Ehe, die mit dem Pfarrer ein Kind hat, hat sich geweigert, zum Prozess nach Brüssel zu kommen. Sie hatte Pandy 1985 verlassen wollen, worauf dieser Agnes - ihrer Aussage nach - angestiftet hatte, Timea umzubringen. Agnes hatte aber mit einem Metallbolzen zu schwach zugeschlagen. Timea überlebte, floh nach Kanada, heiratete dort und siedelte mit ihrem ungarischen Ehemann nach Ungarn über, wo dieser schließlich in einem psychiatrischen Krankenhaus Selbstmord beging. Timea ließ das Gericht wissen, sie sei nicht bereit, "mit noch mehr Elend konfrontiert zu werden".

Klaus Bachmann

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