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Panorama: Junge verhungert – Behörden merkten nichts

Eltern meldeten nach Umzug ein Kind weniger an

Burg - Der neuerliche Hungertod eines Kindes in Deutschland ist vermutlich auch auf das Versagen der Behörden zurückzuführen. Trotz regelmäßiger Besuche von Mitarbeitern des Jugendamtes war nicht aufgefallen, dass der zweijährige Benjamin aus Schlagenthin (Sachsen-Anhalt) verhungert war. „Die Familie hat uns offenbar gelinkt“, sagte der Präsident des Landgerichts Stendal, Dieter Remus, am Donnerstag.

Die stark verweste Leiche des Kindes war auf dem elterlichen Grundstück gefunden worden. Die Eltern sitzen seit Mittwoch in Untersuchungshaft, die fünf weiteren Kinder des Paares sind in der Obhut des Jugendamtes. Benjamin starb im Frühjahr 2005.

Mehrere Male im Monat habe es in der Wohnung der Familie in dem kleinen Dorf Stresow Besuche von Jugendamts-Mitarbeitern gegeben, sagte der Leiter des Jugendamtes Burg, Winfried Werner. Die Mitarbeiter glaubten der Darstellung der Mutter, dass Benjamin sich bei der Schwester ihres Mannes oder bei der Großmutter aufhalte. Nachgeprüft worden sei dies aber nicht.

Den Mitarbeitern habe sich ein unterschiedliches Bild geboten. Bei einigen Besuchen sei alles sauber und ordentlich gewesen, bei anderen nicht. Später habe die Familie jegliche Hilfe verweigert. Der Vater habe Mitarbeiter des Jugendamtes sogar bedroht, als sie in Begleitung von Polizisten die Wohnung betreten wollten, sagte Werner. Strafanzeige sei nicht gestellt worden.

Immerhin beantragte das Jugendamt beim Familiengericht, den Eltern das Sorgerecht für alle Kinder zu entziehen. Die Richterin lehnte dies aber ab und forderte ein Gutachten an, das erst zehn Monate später vorlag. Den Behörden war auch nicht aufgefallen, dass die Mutter im August 2005 beim Umzug von Stresow ins benachbarte Schlagenthin zwar sechs Kinder am früheren Wohnort abgemeldet, aber nur fünf am neuen Wohnort angemeldet hatte.

Damals war der kleine Benjamin längst tot: Die Eltern hatten seine Leiche mit im Umzugsgut. Aus Angst, das Sorgerecht für ihre anderen Kinder zu verlieren, versteckten die beiden Arbeitslosen den verhungerten Benjamin in einer Mülltonne. Dort war das tote Kind nach Hinweisen einer Ärztin schließlich von Polizisten entdeckt worden. Die Medizinerin hatte bei einem anderen Kind der Familie deutliche Vernachlässigungssymptome festgestellt. dpa

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