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Kachelmann-Prozess: Alice Schwarzer verweigert Aussage

Im Kachelmann-Prozess hat die Verteidigung Aussagen eines Rechtsmediziners angegriffen. Dieser verteidigte sein Gutachten und schilderte eigene Experimente "jenseits der Schmerzgrenze". Am Nachmittag trat Alice Schwarzer als Zeugin auf.

Der Auftritt war kurz. Und für ihre Verhältnisse unspektakulär. Die Feministin Alice Schwarzer hat als Zeugin im Prozess gegen Jörg Kachelmann am Mittwoch die Aussage verweigert. Sie berief sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Journalistin. Dies diene dem Schutz ihrer Informanten, sagte Schwarzer vor dem Landgericht Mannheim. Sie berichtet für die „Bild“- Zeitung über den Vergewaltigungsprozess gegen den Wettermoderator.

Kachelmanns Verteidiger Johann Schwenn wollte Schwarzer zu ihren Kontakten zum Therapeuten der Ex-Geliebten befragen. Diese beschuldigt Kachelmann, er habe sie mit einem Messer bedroht und vergewaltigt. Der 52-jährige Schweizer bestreitet dies.

Schwarzers mit Spannung erwarteter Auftritt hatte sich im Lauf des Tages immer weiter verzögert. Kachelmanns Verteidiger verwandte viel Zeit darauf, die Aussagen des Rechtsmediziners Rainer Mattern auseinanderzunehmen. „Der spekulative Charakter der Antworten ist evident“, sagte Schwenn am Vormittag. Zuvor hatte Mattern, der das angebliche Opfer zuerst untersucht hatte, vor Gericht eingeräumt, er könne bei den Kratzspuren und Hämatomen an der Zeugin Claudia D. weder eine Selbst- noch eine Fremdverletzung ausschließen. Sein Gutachten wurde in der Öffentlichkeit als belastend für Kachelmann gewertet. Schwenn nennt das Gutachten dagegen „eindeutig entlastend“. Nach den Untersuchungen Matterns hätten sich am Rücken des angeblichen Tatmessers, einem Tomatenmesser mit kleinen Zähnen, Hautabschürfungen befinden müssen. Diese seien bei der Spurensicherung aber nicht festgestellt worden.

Befunde zulasten Kachelmanns interpretiert?

Mattern, Leiter der Heidelberger Rechtsmedizin, hatte Claudia D. unmittelbar nach der angeblichen Tatnacht im Februar 2010 und auch später untersucht. Dabei wurden zunächst großflächige Blutergüsse an den Innenseiten der Oberschenkel sowie Kratzspuren am Hals, an einem Arm sowie am Bauch festgestellt. Nach Angaben des Arztes könnte die Verletzung am Hals nur vom Andrücken des Messerrückens stammen, sonst hätte es Schnittverletzungen gegeben. Claudia D. behauptete dagegen in ihrer nichtöffentlichen Vernehmung, sie habe die bezahnte Schneide des Messers am Hals gespürt. Der Arzt hatte den Befund in Selbstversuchen überprüft, zudem hatte er Experimente mit einer Kollegin und auch mit der eigenen Ehefrau angestellt, zum Teil „jenseits der Schmerzgrenze“, wie er sagte.

Schwenn wirft dem vom Gericht bestellten Gutachter vor, er habe seine Befunde vor allem zulasten seines Mandanten interpretiert. Dies gelte auch für Angaben Matterns zu der Frage, wie er die Zeugin bei den Untersuchungen erlebt habe. „Es wird offensichtlich jede Möglichkeit ausgeschlossen, dass die Zeugin nur Theater gespielt hat“, sagte Schwenn. Indirekt rückte er sie mit seinen Fragen an den Gutachter in die Nähe einer Münchhausen-Patientin, die bei sich selbst pathologische Zustände erzeugt und über deren Ursache falsche Angaben macht.

Mattern verteidigte am Mittwoch sein Gutachten. Die Spurenlage ließe auch auf eine Fremdverletzung schließen, vorausgesetzt, das Messer sei am Hals mehrfach gekippt oder horizontal bewegt worden, zudem mit heftigem Druck. Allerdings hätten sich dann Spuren vom Hautabrieb finden lassen müssen. Ob oder wie diese verschwunden sein könnten, könne er sich nicht erklären, nach Aussage von Claudia D. hat sie das Messer in der Nacht noch einmal am Griff angefasst. „Ich bin kein Spurensachverständiger“, sagte Mattern. Trotzdem habe er sich auch über einige Dinge „gewundert“. So hätte das angebliche Opfer zunächst nicht spontan geschildert, wie es zu den starken Hämatomen an den Oberschenkeln und dem Krater am Hals gekommen sei. Sie habe auch keine Hämatome am Oberkörper oder an den Armen gehabt, wie sie für Abwehrverletzungen bei solchen Delikten typisch seien. Sie habe zudem davon gesprochen, dass Kachelmann während des ganzen Geschehens das Messer an ihren Hals gedrückt habe, was er sich nicht vorstellen könne.

Bei der überraschend von Schwenn beantragten Vernehmung von Alice Schwarzer geht es um ihre Kontakte zum Psychotraumatologen Günter Seidler, der Claudia D. behandelt und bei ihr eine „posttraumatische Belastungsstörung“ diagnostizierte, die von der Vergewaltigung herrühre. Schwarzer habe in einem Kommentar davon gesprochen, mit Seidler über das Verfahren geredet zu haben. Seidler hat nach Angaben Schwenns solche Kontakte bei seiner Vernehmung abgestritten. Da es um die Glaubwürdigkeit des Zeugen Seidler gehe, sei Schwarzer zu vernehmen. Auch wenn sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch mache, wäre dies aber „kein Schuss in den Ofen“, wie er noch am Vormittag sagte. Die Aussageverweigerung müsse zugunsten Kachelmanns gewertet werden.

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