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Kampf gegen Ölpest: „Top Cap“ statt „Top Kill“

BP ist es offenbar gelungen, eine Glocke über das Bohrloch zu stülpen – als Übergangslösung gegen weiter ausdringendes Öl. Ein bisschen Hoffnung keimt in den USA nun immerhin auf.

Nach einer Reihe von Fehlschlägen im Kampf gegen die Ölpest ist den Krisenmanagern offenbar ein wichtiger Teilerfolg gelungen. In der Nacht zum Freitag wurde eine Glocke über das Unglücksbohrloch in 1500 Meter Tiefe gestülpt. Sie soll den Großteil des ausströmenden Rohöls einfangen; dann wird es zu Schiffen an der Wasseroberfläche geleitet.

In Fischergemeinden im Mississippidelta wie Venice und Grand Isle wurde die Nachricht mit Erleichterung aufgenommen. In den Wochen zuvor waren Wut und Verzweiflung gewachsen, weil kein Ende des Desasters abzusehen war. Nun gibt es einen Hoffnungsschimmer, dass der gigantische Ölfluss stark reduziert werden kann.

Die guten Nachrichten – BP-Chef Tony Hayward beraumte extra eine Telefonkonferenz mit Investoren an – wirkten sich kurzzeitig positiv auf den Aktienkurs aus, wenn auch nur wenige Stunden.

Die Anwohner wissen: In den 46 Tagen seit dem Unglück sind viele Millionen Liter in den Golf von Mexiko geströmt; ein Teil davon wird zeitverzögert an die Südküste der USA gespült. An mehreren Orten in Louisiana reinigen Spezialteams bereits Strände vorgelagerter Inseln, zum Beispiel Grand Terre. Die Verschmutzung weiterer Abschnitte wird in den nächsten Tagen zunehmen, auch in Alabama, Mississippi und im Nordwesten Floridas. Doch sobald kein Öl mehr nachströmt, ist irgendwann ein Ende in Sicht. Das hoffen die Menschen zumindest.

Am Freitag war zunächst unklar, wie erfolgreich die komplizierte Aktion war. BP hatte schon einmal einen Auffangtrichter über dem Bohrloch platziert. Doch wegen der geringen Temperaturen so tief unter Wasser vereiste ein Teil des Gemischs aus Öl, Gas und Wasser, und die Operation wurde abgebrochen. Dagegen wurden nun Vorkehrungen getroffen.

Der sogenannte „Top Cap“, das Auffangen des Öls an der Spitze des Bohrlochs, ist eine Notlösung, nachdem der „Top Kill“ misslungen war: der Versuch, das Bohrloch von oben zu verschließen. Bei der Vorbereitung des neuen Anlaufs hatte es erneut Pannen gegeben. Zunächst musste das alte Steigrohr durch Roboter abgesägt werden. Nach der Explosion der Plattform vor sechseinhalb Wochen war es auf den Meeresboden gesunken und dabei mehrfach abgeknickt. Doch dann verklemmte sich die mit Diamanten gehärtete Spezialsäge und ließ sich nicht mehr gängig machen. Das Steigrohr musste schließlich mit einer Art Zange abgezwackt werden.

Das hat Konsequenzen für die Abdichtung der Glocke, die über die Öffnung gestülpt wird. Je glatter die Sägekante, desto besser lässt sich der Übergang vom Stumpf des alten Steigrohrs zur Auffangglocke abdichten. Das Abzwacken hat unregelmäßige Kanten hinterlassen. Laut Küstenwache wird man im besten Fall 90 Prozent des ausströmenden Öls einfangen können. Auf Live-Videos der Unterwasserkamera am Bohrloch konnten Zuschauer verfolgen, mit welchen Risiken die Operation verbunden war. In dem Augenblick, als das alte Steigrohr abgetrennt war, wuchs der Ölstrom stark. Das hatten Experten vorhergesagt. Das geknickte Rohr hatte den Fluss gebremst, nun konnte es frei ausströmen. Als die Glocke langsam heruntergelassen wurde, schien es im Video, als fließe noch mehr Öl aus Spalten zwischen dem Bohrloch und der Glocke. Auch das sei unvermeidbar, sagen die Fachleute. Sie verglichen die Situation mit dem Versuch, einen Gartenschlauch an einen voll aufgedrehten Wasserhahn anzuschließen. Bis die Schraube festgezogen sei, suche sich das Wasser unter enormem Druck einen Weg ins Freie.

Die Aktion „Top Cap“ ist keine Dauerlösung, sondern eine Überbrückung für die kommenden Wochen. Parallel treibt BP zwei Entlastungsbohrungen in den alten Förderschacht unter dem Meeresboden voran. Durch sie will man Zement einspritzen, um das Bohrloch von innen zu verschließen. Diese Vorbereitungen ziehen sich bis in den August. Und auch da kann manches schiefgehen. Sollte es in der Zeit bis dahin schweres Wetter oder gar Hurrikans geben, muss der „Top Cap“ unterbrochen werden. An solchen Tagen würde das Öl dann wieder ungehindert ausströmen.

Präsident Obama flog am Freitag zum dritten Mal an die Küste. Diesmal besuchte er keine Strände oder betroffene Ortschaften. Er traf sich am Flughafen New Orleans für fünf Stunden mit Leitern des Krisenstabs und Vertretern einzelner Küstengemeinden. Die anstehende Reise nach Guam, Australien und Indonesien sagte er zum zweiten Mal ab. Der erste Reisetermin im März war wegen des Ringens um die Gesundheitsreform geplatzt.

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