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Kampusch-Interview: Psychologen kritisieren TV-Auftritt als verfrüht

Zum ersten öffentlichen Auftritt von Natascha Kampusch melden sich jetzt Psychologen zu Wort. Es könne ein "völlig falsches Bild" von der 18-Jährigen entstehen, und Nachfragen das Gefangenschafts-Trauma wieder wecken.

München - Das am Mittwochabend ausgestrahlte ORF-Interview habe "die starke, hübsche junge Frau" gezeigt, sagte der Kinder- und Jugendpsychologe Christian Lüdke. "Das ist aber ein kleines, verletztes Mädchen, das die Hölle erlebt hat." Wie von einem Eisberg nur zehn Prozent an der Wasseroberfläche sichtbar seien, sei auch bei Kampusch bei dem Gespräch nur ein Zehntel ihrer Person sichtbar geworden. Die anderen 90 Prozent lägen unter der Oberfläche. "Wie schlimm die Entführung war, wird sich erst in den nächsten Monaten und Jahren zeigen."

Für den auch auf die Betreuung von Opfern von Überfällen oder Geiselnahmen spezialisierten Lüdke kam das Interview nur zwei Wochen nach der Flucht nach der achtjährigen Gefangenschaft Kampuschs zu früh. "Aus therapeutischer Sicht hätte ich dringend abgeraten." Jedes Nachfragen sei in dieser Phase erlebnisaktivierend und könne das in der Gefangenschaft entstandene Trauma wieder wecken. Auf der anderen Seite habe allerdings das riesige öffentliche Interesse für ein Interview gesprochen, um den Druck von Kampusch zu nehmen. "Sie ist damit aber auch in der Freiheit weiter unfrei gewesen." In Deutschland hatte der Sender RTL das Interview ausgestrahlt - und erreichte bei mehr als sieben Millionen Zuschauern hohe Einschaltquoten.

Auch der Kriminologe Christian Pfeifer kritisierte das Interview als verfrüht. "Man sieht doch, wie sie mit den Händen gerungen hat, wie sie Schwierigkeiten hatte, den Blick zu halten, wie sie in der Körpersprache noch alle Anzeichen dieser Gefangenschaft zeigte", sagte Pfeifer im Bayerischen Rundfunk. Es sei "sehr, sehr früh, sie jetzt in die Öffentlichkeit zu bringen".

Für die österreichische Polizei hat der Fernsehauftritt unterdessen keine neuen Ansätze gebracht. Größtenteils betrafen die Interview-Fragen die Privatsphäre der 18-Jährigen, wie Ermittler Gerhard Lang in Wien erklärte. Die Polizei wolle nun bei einem neuen Gespräch mit der 18-Jährigen, ihren Betreuern und ihrem Anwalt darüber diskutieren, wie die Privatsphäre von Natascha Kampusch weiter geschützt werden soll. (tso/AFP)

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