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Kenia: Urlaub im Krisengebiet

In Kenia ist Hochsaison. Tausende Touristen sind dort. Was Deutsche sagen, die im Land leben.

In Kenia ist derzeit Urlaubssaison. Auch 3000 bis 4000 Deutsche haben sich dorthin aufgemacht. Wegen der Unruhen nach den Wahlen haben viele Veranstalter ihre Programme umgestellt, Ausflüge gestrichen. Aber nach Angaben manch großen deutschen Reiseunternehmens wollen viele Touristen dennoch in das Sonnenland reisen. Thomas Cook, wo es zunächst hieß, die Lage in den Strandhotels sei ruhig, sagte nach Reuters-Informationen nun seine Mombasa-Flüge ab, der französische Verband Ceto alle Kenia-Flüge. Manche Urlauber trauen sich nicht mehr aus ihren Hotels. Busse zum Hotel werden zum Teil von der Polizei eskortiert. „In den Urlaubsorten an der Küste herrscht Normalität“, sagte Torsten Schäfer vom Deutschen Reisebüro und Reiseveranstalter Verband (DRV) der Agentur AFP. Von den Unruhen betroffen seien vor allem Nairobi und Slums von Großstädten. In Mombasa an der Küste wurden aber Läden geplündert und Häuser angezündet. Die Hotels liegen allerdings meist Kilometer entfernt, der beliebte Diani-Strand sogar 40 Kilometer.

Außer Touristen gibt es auch Deutsche, die in Kenia arbeiten und wohnen. Jürgen Feldmann ist Projektleiter der Deutschen Welthungerhilfe in Mombasa. Er wundert sich über Widersprüche, wenn es um die Lage der Urlauber geht. „Im kenianischen Fernsehen wird gezeigt, dass der Tourismus von den Unruhen nicht betroffen ist. Ich selbst habe aber Busse gesehen, mit denen Touristen aus Mombasa abtransportiert wurden", berichtet Feldmann am Telefon. Auch in manchen Hotels habe das Publikum eindeutig gewechselt. „Ich war in einem Hotel essen. Da waren nur noch Leute aus Nairobi, keine internationalen Touristen mehr."

Am Donnerstag verschlechterte sich die Situation in Mombasa. Mittags hörte Feldmann über den Funk eines Wächters, dass im Stadtteil Bombolulu ein Demonstrant angeschossen oder erschossen worden sein soll. Das Wohngebiet Bombolulu liegt rund sieben Kilometer von den Hotels bei Mombasa entfernt.

Das mag für Touristen eine andere, eine ferne Welt sein, Feldmann aber wohnt nahe am Krisenherd und trifft nun doch Vorsichtsmaßnahmen. Er und seine Frau wohnen zwar in einem bewachten und ummauerten Compound, aber seine Frau ist eine Gikuyu. Ihr Haus steht in Kisauni, einem der Wahlbezirke, wo die Stimmen lange zurückgehalten wurden. Außerdem hält sich das Gerücht, es gebe Pläne, von Haus zu Haus zu ziehen und alle Gikuyu aus ihren Häusern zu holen. Und im Fernsehen sehen sie die Bilder aus anderen Teilen des Landes. „Aus Eldoret werden Gikuyu jetzt per Airlift ausgeflogen, wir sehen, wie Ströme von Gikuyu aus Nakuru im Rift Valley in die Stammesgebiete der Gikuyu fliehen." Feldmann zieht erstmal für ein paar Tage zu Verwandten. „Wir sind wahrscheinlich die Letzten, die gehen. Unsere Nachbarn sind alle schon weg", sagt der 52-jährige Darmstädter. Von Evakuierung will er nicht reden. Aber er erinnert sich noch an die „ethnischen Säuberungen" gegen Gikuyu 1997 gab. „Das ist noch nicht so lange her."In ihm steigen Bilder von Ruanda hoch, wo er Mitte der 90er Jahre war. „Ich weiß, wie sich so was aufschaukeln kann." Er hofft auf die Vermittlung von Bischof Tutu. „Wenn es andersherum zur Milizenbildung kommt, könnte die These, Kenia steht am Rande des Bürgerkriegs, Inhalt bekommen. Das ist nicht für so weit hergeholt".

Seine Kollegin Iris Krebber in Nairobi ist etwas optimistischer. In Kenia gebe es nicht zwei Ethnien, sonder 40 Stämme. „Das ist wahrscheinlich der Glücksfall für Kenia." Und sie ist überzeugt, dass die Gewalt nicht gegen Ausländer geht. „Es richten sich massive Hoffnungen auf das Ausland." Kenianer aller Couleur hofften, dass internationaler Druck zu Gesprächen führt – auch wenn viele enttäuscht seien, dass die Wahlbeobachter „zu lange geschwiegen haben und erst drei Tage nach der Wahl" Zweifel anmeldeten. Die Leute hoffen darauf, dass anerkannt wird, dass so viele gewählt haben – friedlich.

Das Büro in Nairobi bleibt zunächst geschlossen, aber das sei eine Sicherheitsmaßnahme gegen Trittbrettfahrer wie „Einbrecher oder Carjacker, die denken, die Polizei hat anderes zu tun", sagt Krebber. Die Regionalkoordinatorin beschreibt Nairobi als bizarre Welt. Sie wohnt, wie viele Weiße, nur 800 Meter Luftlinie vom Uhurupark entfernt. „Wir hören nachts Schüsse. Aber in meiner Straße ist fast nichts anders als sonst. Außer, dass es keinen Verkehr gibt." Sie könne trotz Hamsterkäufen noch „gemütlich einkaufen“. Völlig anders ist das für ihren Nachtwächter, der einmal die Woche aus dem Slum Kibera kommt. Er kam am Mittwoch mit verquollenen Augen. „Er sagte, dass seit Tagen eine Tränengaswolke über Kibera liegt." Die Polizei habe alles abgeriegelt, das Kerosin – die einzige Lichtquelle, Strom gibt es nicht – sei alle. „Sie sitzen im Dunkeln, Millionen bibbern hinter ihren Bretterverschlägen, was passiert. Tags herrscht Chaos und nachts schreit jemand ins Dunkel, eine Gang kommt. Das macht mürbe." Sie hat ihrem Wächter Weihnachten für die Kinder einen Liter Saft mitgegeben. „Das war für die Leute für vier Tage das einzige Essen.“

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