zum Hauptinhalt
Grauen in ländlicher Idylle. Das Dorf Buren auf der Insel Ameland. Foto: dpa

© dpa

Kindesmissbrauch: Camp des Horrors

Sie nannten es „Fisting“ – die Kinder, die Kinder vergewaltigten. Die Ermittler nennen es schweren sexuellen Kindesmissbrauch. Die Details der Tat schockieren.

Osnabrück - Die Berichte um die Misshandlung von 13-jährigen Jungen aus Osnabrück in einem Feriencamp werden immer monströser. Nicht nur stieg die Zahl der kaum älteren vermuteten Täter inzwischen auf 13. Auch Details der Misshandlungen wurden bekannt. Nach den ersten Berichten war zunächst unklar gewesen, ob es sich um Formen des sexuellen Missbrauchs handelt. Da war von Colaflaschen die Rede, die bei den Opfern eingeführt wurden.

Inzwischen werden die Misshandlungen von den Ermittlern als klare Sexualdelikte eingestuft. Es gehe um Vergewaltigung und schweren sexuellen Kindesmissbrauch, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Osnabrück am Donnerstag.

Bei der Aufarbeitung des Falls scheint das Wort „Fisting“ eine Rolle zu spielen. Anscheinend ist dieser Begriff von den Jugendlichen gebraucht worden. Er stammt aus der Schwulen- und Sadomaso-Szene und bezeichnet Sexualpraktiken, bei denen Hand oder Finger in Vagina oder Anus eingeführt werden. Bei diesen Praktiken werden oftmals auch größere Gegenstände eingeführt. Bei der Osnabrücker Polizei übernahm eine vierköpfige Sonderkommission die Ermittlungen, die Staatsanwaltschaft wurde eingeschaltet. Die Beamten befragen derzeit täglich mehrere der Kinder und Jugendlichen, die in dem Schlafsaal untergebracht waren. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, ob Betreuern irgendwelche Vorwürfe gemacht werden können. Es soll Hinweise darauf geben, dass Betreuer von dem Missbrauch erfuhren, aber nicht reagierten. Immer noch erscheint das Verhalten der Betreuer rätselhaft. Haben sie die Hilferufe ihrer Schutzbefohlenen schlicht nicht verstanden? Möglicherweise sei das Wort „Fisting“ gefallen, aber die Betreuer hätten es nicht richtig einordnen können, sagte der ehrenamtliche Leiter des Ferienlagers, Dieter Neuhaus. Er selbst habe den Begriff erst im Nachhinein kennengelernt und ihn auch während des Ferienlagers nicht gehört. Das Ehepaar, das das Haus geleitet habe, in dem sich die Missbrauchsfälle abspielten, sei eher älter und gehöre schon seit vielen Jahren zum Betreuerteam. Neuhaus sagte, zwar hätten nicht alle der 39 Betreuer die Jugendleitercard besessen, alle seien aber fachlich qualifiziert gewesen. Insgesamt hätten 170 Kinder und Jugendliche an der Freizeit teilgenommen. „Es sind Leute, die pädagogisch geschult sind, die Erzieher sind oder in der Ausbildung zum Erzieher stehen.“ Zu dem Team hätten Berufstätige und Studenten gehört, die alle Erfahrung in der Kinderbetreuung hätten.

In einer Unterkunft des Ferienlagers waren die jüngsten und schwächsten unter den 39 Jugendlichen der Gruppe nachts aus ihren Betten gerissen und in die Mitte des Saales gezerrt worden. Dann muss eine johlende Meute versucht haben, sie zu missbrauchen. „Wir gehen davon aus, dass maximal 13 Personen als Beschuldigte in Betracht kommen“, sagte Staatsanwalt Alexander Retemeyer. Insgesamt seien bislang 25 Jugendliche aus dem Schlafsaal verhört worden. Sechs von ihnen gelten mittlerweile als Opfer. Die anderen müssten noch vernommen werden. „Das könnte notwendig werden, um zu klären, wer was gewusst hat“, sagte Retemeyer.

Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, warf den Betreuern vor, die aggressive Stimmung unter den Jugendlichen wohl nicht mitbekommen zu haben. Er könne sich dies nur damit erklären, dass die Betreuer selbst Urlaub gemacht und ihre Aufgabe nicht ordentlich erledigt hätten. Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) nutzte den Vorfall für Kritik am Koalitionspartner FDP: „Wenn man sich ansieht, welche Folgen der Konsum von schädlichen Videos haben kann, ist die Laissez-faire-Politik der FDP bei Kinderpornos im Netz grob fahrlässig“, sagte sie. Es sei auch ein Beitrag zum Jugendschutz, wenn sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen noch erkennbarer geächtet werde. mit dpa/AFP

Karl Doeleke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false