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Panorama: Kleinigkeit vergessen

Im Februar 2004 wurde beschlossen, dass Berliner Gymnasiasten fortan in zwölf statt 13 Jahren ihr Abitur machen sollten. Ich bin Teil des ersten Jahrgangs, der direkt von der Umstellung betroffen ist.

Im Februar 2004 wurde beschlossen, dass Berliner Gymnasiasten fortan in zwölf statt 13 Jahren ihr Abitur machen sollten. Ich bin Teil des ersten Jahrgangs, der direkt von der Umstellung betroffen ist. Sechs Jahre später, mein Jahrgang stand am Ende der zehnten Klasse, stellte der Berliner Senat fest, dass er eine Kleinigkeit vergessen hatte: Durch das Wegfallen der elften Klasse müssen die jetzigen Zehntklässler in der Oberstufe 40 anstelle von 32 Kursen belegen, sonst hätten sie in ihrer Schullaufbahn insgesamt zu wenige Stunden absolviert und somit nicht die nötigen Voraussetzungen für das Abitur.

Die Schulen erfuhren eine Woche vor dem Abgabetermin für die Oberstufenkurswahlen von diesem winzigen Fehler. Das ist charakteristisch für die katastrophale Umsetzung der Reform, die als Wundermittel gegen die Pisa-Panik erfunden wurde.

Dabei wäre die Reform eine echte Chance gewesen, den Lehrplan zu entrümpeln und umzustrukturieren anstatt ihn immer weiter aufzufüllen, bis aus Zeitgründen jedes Thema nur oberflächlich durchgehetzt werden kann.

G8 wurde voreilig auf die Berliner Schüler losgelassen, nach dem Motto: Es wird schon funktionieren. In fünf Jahren hat niemand darüber nachgedacht, was für einen mentalen Druck es bedeutet, sich gleichzeitig für seine MSA-Prüfungen vorzubereiten und das Formular für die Kurswahlen in der Oberstufe auszufüllen – mit dem Wissen, dass das alles über seine Zukunft entscheiden wird, dass es keine Ausprobierphase mehr gibt.

Die elfte Klasse wird oft als „Rumhängjahr“ abgetan; aber was bedeutet es, wenn diese Orientierungsphase wegfällt? Einen orientierungslosen Jahrgang, der sich irgendwo zwischen all den wichtigen Entscheidungen verirrt? Nach der Schule kommt die Uni. Und das Problem des Doppeljahrgangs. Lieber Senat, es bleiben noch zwei Jahre zum Nachdenken und Vorbereiten – damit nicht das Wichtigste wieder erst eine Woche vorher bekannt gegeben wird. Roberta Huldisch, 15 Jahre

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