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Land unter. In Simbach am Inn führten Starkregen und ein Dammbruch Anfang Juni zur Katastrophe. Die Schäden der Wetterextreme sind hoch.

© Daniel Scharinger/dpa

Klimawandel: Katastrophenklima

Der Mai war der 13. Monat in Folge, der weltweit zu warm war. Auch in Deutschland bildet das Extremwetter die erwartbaren Folgen des Klimawandels ab.

Der Mai war der 13. Monat in Folge, der einen Wärmerekord aufgestellt hat: Er war der wärmste Mai seit Beginn der Wetteraufzeichnungen um 1880. Darin stimmen die amerikanische Weltraumbehörde Nasa und die US-Meeres- und Atmosphärenbehörde Noaa überein. Auch nach dem Ende des Rekord-El-Niño im Pazifik rechnen die Klimaforscher der beiden Behörden nicht damit, dass die Wärmerekorde enden.

Der Mai und der Juni waren aber auch regional rekordverdächtig. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat für die Zeit vom 27. Mai bis 9. Juni – in diese Zeit fallen die Sturmtiefs „Elvira“ und Friederike“ sowie der Tornado in Hamburg und die Starkregenereignisse in Bayern und Baden-Württemberg – einen Rekordschadenswert ermittelt. Die GDV-Mitgliedsunternehmen meldeten 1,2 Milliarden Euro versicherter Schäden. Etwa eine Milliarde Euro betreffen Häuser, etwa 200 Millionen Euro wurden von den Autoversicherern gemeldet.

Diese Summe ist schon deshalb bemerkenswert, weil in Bayern lediglich 27 Prozent der Hausbesitzer eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen haben; bundesweit sind es etwa 40 Prozent. In Baden-Württemberg liegt die Versichertenquote höher – denn dort war die Versicherung bis in die 1990er Jahre Pflicht. Genau das würde der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) am liebsten wieder einführen. Die Umweltministerkonferenz der Länder stimmte jedenfalls am Freitag in Berlin dafür, die Justizministerkonferenz aufzufordern, eine Pflichtversicherung zu prüfen. „Solche verheerenden Unwetter können überall auftreten und jeden treffen“, argumentiert Untersteller. Deshalb findet er, eine Elementarschadenversicherung sollte „zwingend Bestandteil der privaten Risikovorsorge sein“.

Die Kanzlerin wirbt für Klimaversicherungen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wirbt seit dem G-7-Gipfel in Elmau, wo immer sie über den Klimawandel und seine Risiken spricht, für solche Versicherungslösungen für arme Länder. Die sieben wichtigsten Industriestaaten haben eine Versicherungsinitiative auf den Weg gebracht, mit der besonders von klimabedingten Wetterkatastrophen betroffene Staaten ihr Risiko mindern können.

Es gibt Pilotversicherungen, die auch die Dürrerisiken von Bauern im Norden Kenias oder in Mali versichern: Werden bestimmte Wetterparameter erreicht, wird ihnen automatisch Geld ausgezahlt, um sie für ihre Verluste zu entschädigen. Dafür zahlen die Bauern geringe Beiträge ein, die dann von Geberländern wie Deutschland ergänzt werden. Merkel sagte bei der Jahreskonferenz des Nachhaltigkeitsrates: „Ich finde das entscheidend, weil es die Menschen aus einer Bittstellerrolle herausholt und Ansprüche auf Schadenersatz schafft.“

Die Korallen bleichen aus

Das dürfte immer öfter nötig werden. Denn die Temperaturrekorde waren nicht die einzigen ungewöhnlichen Klimadaten des ersten Halbjahres 2016. Im Februar hat sich der Klima- und Meeresforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) das Great Barrier Reef angeschaut, das Weltnaturerbe vor der australischen Küste – „da war es noch bunt“, erzählt er. Wenige Monate später sind große Bereiche des Riffs im Norden und im zentralen Riffgebiet ausgebleicht. Wird das Wasser zu warm, sterben die Korallen ab und bleichen schließlich aus – übrig bleiben Kalkgerippe der Korallen. Nach Einschätzung der Noaa-Forscher spielt sich gerade „die dritte globale Korallenbleiche“ ab. Rahmstorf frustriert es ganz besonders, „dass die Wissenschaftler schon lange vorher gesagt haben, dass auch eine globale Erwärmung um 1,5 Grad“ im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung „für die Korallen schon zu viel sind“. Ende 2015 lag die globale Erwärmung bei einem Grad oberhalb des Referenzwerts um etwa 1800.

Der El Niño hat einen Anteil an der Korallenbleiche, dem Temperatursprung und dem inzwischen stabil oberhalb von 400 Teilchen pro einer Million Teilchen (ppm) liegenden Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre. Vor wenigen Tagen meldeten britische und amerikanische Forscher, dass die 400 ppm erstmals auch an einer Messstation in der Antarktis überschritten worden sind. Auf der Messstation auf Hawaii, Mauna Loa, nähert sich der Wert bereits 410 ppm. Das liegt zum einen daran, dass die meisten CO2-Emissionen auf der Nordhalbkugel entstehen und es etwa ein Jahr dauert, bis sich diese Fracht bis zum Südpol ausbreitet. Auf der Nordhalbkugel wird aber bis September auch wieder mehr CO2 von Bäumen und anderer Vegetation aus der Atmosphäre entzogen als auf der Südhalbkugel, wo es weniger Land und damit auch weniger Pflanzen gibt. Doch unter 400 ppm werde der Wert wohl kaum mehr sinken, erwartet Robert Keeling, der die Messstation auf Hawaii betreibt.

Die Eisschmelze in der Arktis beginnt zwei Monate zu früh

Auch Stefan Rahmstorf fragt sich, wie weit die Temperaturkurve nach dem Ende des El Niño wieder sinken wird. Höchstens 20 Prozent des Temperatursprungs (siehe Grafik) halten die Klimaforscher von Nasa und Noaa für El-Niño-bedingt. Nach dem vorhergehenden starken El Niño von 1998 sank die Temperaturkurve zunächst um rund 0,4 Grad. Aber bei dem aktuellen El Niño war schon das Ausgangsniveau viel höher. Den größeren Anteil an Wärmerekorden hat ohnehin der menschengemachte Klimawandel.

2016 wird weitere Rekorde hervorbringen. Im Mai begann in der Arktis und auf Grönland die Eisschmelze, die sonst erst im Juli beginnt. Die Meereis-Ausdehnung rund um den Nordpol erreichte mit einer halben Million Quadratkilometer einen neuen Tiefstwert. Üblicherweise ist das Meereis doppelt so weit ausgedehnt.

Der neue Chef der Welt Meteorologie Organisation WMO, Petteri Taalas, sagte bei der Präsentation der Mai-Zahlen: „Die Zukunft ist jetzt.“ Mit dem Klimawandel mehren sich Extremwetterereignisse, unter denen auch Deutschland zuletzt gelitten hat. Das hat Folgen, schon heute.

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