zum Hauptinhalt

Panorama: Knast in bester Lage

Als er im Jahr 1969 ein Konzert hier gab, da hat er auch extra ein Lied dafür geschrieben. "San Quentin, I hate every inch of you", erste Zeile zweite Strophe, und als der Countrysänger Johnny Cash sie anstimmt, bricht in der Gefängniskantine ein Orkan los.

Als er im Jahr 1969 ein Konzert hier gab, da hat er auch extra ein Lied dafür geschrieben. "San Quentin, I hate every inch of you", erste Zeile zweite Strophe, und als der Countrysänger Johnny Cash sie anstimmt, bricht in der Gefängniskantine ein Orkan los. So hört es sich an auf der alten Schallplatte, so als würden sie alle aufstehen, tausend Gefangene, schwere Jungs allesamt, viele Lebenslängliche, und ausbrechen aus dem Gefängnis. Sie schreien und trampeln mit den Füßen, knallen ihre Blechtassen auf die Holztische. Lautsprecherdurchsagen sind zu hören, Ruhe bitte, sonst müsse das Konzert abgebrochen werden. Doch ein paar Tage später soll die Gefängnisleitung gesagt haben, die Stimmung und die Moral der Häftlinge seien nie so gut gewesen wie nach Cashs legendärem Konzert. Und San Quentin war plötzlich berühmt.

Heute ist die Stimmung schlecht, und das hat damit zu tun, dass San Quentin, 20 Meilen vor San Francisco und Kaliforniens ältestes Gefängnis, abgerissen werden soll - wenn es nach dem Willen von Robert Presley geht, der für das Häftlingswesen in Kalifornien zuständig ist. Er möchte die 150 Jahre alte Haftanstalt schließen, um auf dem Gelände Platz für neue Bewohner zu schaffen, für Hausbauer und Wohnungsmieter.

Eine 250 000 Dollar teure Studie wurde dafür bereits in Auftrag gegeben. Schon in den 70er und 80er Jahren gab es ähnliche Pläne, die jedoch alle wieder zu den Akten gelegt wurden. Presleys Vorstoß jedoch könnte Erfolg haben. Das Gefängnisgelände würde nicht nur Raum für 3500 Wohnungen oder 500 Häuser schaffen - das ist im bevölkerungsreichen San Francisco immer ein Argument -, San Quentin, so die Abriss-Befürworter, sei sowieso ein Sanierungsfall.

Die Aussicht ist fantastisch: auf einem Hügel gelegen, im Vordergrund die Bucht von San Francisco, im Hintergrund die Stadt. Doch die Häuser sind alt, und die Sicherheits-Technik nicht mehr auf dem Stand der Dinge. "Wir haben weitaus sicherere Gefängnisse", sagt Steve Green, Sprecher der kalifornischen Gefängnisverwaltung. Zudem ist San Quentin mit mehr als 6100 Häftlingen völlig überbelegt. Vorgesehen ist das Gefängnis für 3400 Insassen.

San Quentin, auch schlicht "Q" genannt, ist das einzige Gefängnis Kaliforniens, das sich in unmittelbarer Nähe zu einer Großstadt befindet. Neue Haftanstalten werden heute in entlegenen Gegenden gebaut, wo die Grundstückspreise niedriger sind und die Nachbarn nicht protestieren. Die Nähe zu San Francisco, so argumentieren die Umzugsgegner, sei jedoch ein Segen für die Inhaftierten. Gerade deshalb kämen mehr Sozialarbeiter hier her als in Gefängisse auf dem Land, Familienmitgliedern und Anwälten wird durch die nahegelegene Stadt der Kontakt erleichtert. Die Gegner halten eine Schließung nicht nur für unfair gegenüber den Häftlingen, sie machen auch auf die Kosten aufmerksam. Experten schätzen, eine Umlegung der 6100 Insassen in andere Gefängnisse würde 700 Millionen Dollar kosten. Unter den Gefangenen sind 550 Todeskandidaten.

Und nicht zuletzt werden Historiker gegen einen Abriss Einspruch erheben und auf die lange Geschichte der Haftanstalt verweisen. San Quentin verdankt seine Existenz den rauhen Sitten und der Gesetzlosigkeit während des Goldrausches 1848. Die ersten Gefangenen kamen noch in einem Schiff in der San Francisco Bay unter. Es war schnell überfüllt, 1852 kaufte der kalifornische Staat zwanzig Morgen Land und begann, San Quentin darauf zu bauen.

Noch im selben Jahr kamen die ersten 68 Häftlinge in das Gefängnis. Prominente Kriminelle waren hier, unter anderen der Postkutschenräuber Black Bart und der psychisch gestörte Mörder Charles Manson. Bis 1934 wurden auch Frauen in San Quentin inhaftiert. Die typische, schwarzweiß-gestreifte Häftlingskluft gibt es jedoch schon lange nicht mehr. Sie wurde 1913 durch blaue Uniformen ersetzt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false