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Unser Kolumnist ist kein Blender. Behauptet er zumindest.

© privat

Kolumne: Was machen wir JETZT?: Artig abblenden

Bist du ein Blender? Das fragte Constanze Bilogan letztes Mal. Unser Kolumnist antwortet ihr heut.

Wäre ich ein Blender, dann würde diese Kolumne wahrscheinlich mit dem Weltuntergang beginnen und mit dem Paradies enden. Aber da ich ja kein Blender bin, erzähle ich lieber so, wie es wirklich war.

Es war ein Nachmittag im Juni, einer dieser Tage, der sich nicht entscheiden kann, ob er lieber Sommer oder Herbst sein will: Mein letzter Tag an der Uni – und ich hatte Schiss. Abgesehen von meiner Master-Arbeit fehlte nur noch diese eine Unterschrift. Ich war mit Professor Doktor W. verabredet. Professor Doktor W. ist Professor für die Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit; leider kann Professor Doktor W. mich nicht leiden. Vielleicht war es sogar noch schlimmer: Ich glaube, er machte sich Sorgen.

Punkt 14 Uhr 30 betrat ich sein Büro, ein Mausoleum aus Altpapier. Professor Doktor W. sah aus wie immer, ein bisschen wie die intellektuelle Version von Franz Leitmayr, dem Münchener „Tatort“-Kommissar. Er sprach auch so: „Setzen Sie sich.“ Pause. Schnaufen. Professorenmonolog.

„Also, Herr Stephan“, sagte er und knallte meine Hausarbeit auf den Schreibtisch, „was haben Sie sich dabei gedacht? Das ist eine Anmaßung! Glauben Sie, Sie können mich verschaukeln? Vielleicht konnten Sie sich bisher so durchschlängeln, aber ich sage Ihnen eines: Ich falle nicht auf Sie herein! Sie sind ein Blender! Eigentlich müsste ich sie durchfallen lassen!“

Ich hatte neunzehn Seiten geschrieben in vier Tagen, ödes Thema und zugegeben kein Glanzstück, aber na ja alles in allem doch ganz okay. Dachte ich – und schwieg.

Er begann zu schreien: „Also, wenn Ihnen das auch am Arsch vorbeigeht?!“ Pause. Schnaufen. „Wissen Sie, was ich glaube? Dass Sie das aus alten Hausarbeiten zusammengeschustert haben, und das steht auch im Gutachten. Sie sind ein kluger Bursche, aber im Leben werden Sie damit nicht weit kommen.“

Er ließ mich dann nicht durchfallen, er unterschrieb und gab mir eine Vier. Ich hatte noch nie eine Vier geschrieben. Wer in Geschichte eine Vier schreibt, ist entweder ein Hirntoter oder Legastheniker. Wer eine Eins schreibt, ist entweder fleißig oder clever. Alle schreiben Einsen. Die wenigsten sind fleißig.

Wäre ich ein Blender, hätte ich mit dieser Kolumne gewartet, meine Master-Arbeit ist noch nicht fertig. Aber da ich ja kein Blender bin, hoffe ich lieber, dass Professor Doktor W. heute keine Zeitung liest.

Constanze, bist du arrogant?
Nächstes Mal schreibt an dieser Stelle Constanze Bilogan.

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