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Komiker im Interview: Bernhard Hoëcker über seine Flüchtlingsrechnung und Böhmermann

Für seine "Milchmädchenrechnung" mit den Flüchtlingen bekam Bernhard Hoëcker viel Kritik. Im Interview erzählt er, wie er damit umgeht und was er über die Satire von Jan Böhmermann und Co. denkt.

In einer Talkshow hatte der Komiker Bernhard Hoëcker erklären wollen, warum die Anzahl der Flüchtlinge in Deutschland kein Problem sei. Dazu sprang er auf und verdeutlichte seine Ausführungen mit einer einfachen Rechnung. Das etwa zweiminütige Video davon wurde in den sozialen Medien rege verbreitet. Dort bekam der 46-Jährige auch viel Kritik, einige werfen ihm vor, eine „Milchmädchenrechnung“ aufgestellt zu haben. Im Interview erzählt er, wie es zu der Aktion gekommen war, wie er mit Hasskommentaren umgeht, wo die Grenzen der Satire liegen und was eigentlich der Unterschied zwischen Jan Böhmermann und ihm ist.

Herr Hoëcker, Ihre kurze Rechnung wurde ja von vielen Zeitungen aufgegriffen und besonders in den sozialen Netzwerken immens verbreitet. War es ein spontaner Einfall oder hatten Sie es geplant?

So halb halb. Eigentlich ging es ja in der NDR-Talkshow um die neuen Folgen von „Wer weiß den Sowas?“ und am Ende fragte Moderator Hubertus Meyer-Burckhardt noch einmal kurz, wie denn mein Programm so laufe. Darin geht es eben um Fehlwahrnehmungen verschiedenster Art. Unter anderem, Überhöhung von Einzelereignissen, das Entstehen von Vorurteilen und das falsche Einschätzen von Zahlen und Größen. Und ich mag eben gerade diesen aktuellen Teil und habe darauf spontan zurückgegriffen.

Wie entgegnen Sie der Kritik, Ihre Rechnung mit den Flüchtlingen sei "zu kurz gefasst"? Viele sprechen von einer Milchmädchenrechnung.

Denen gebe ich Recht, wenn sie meinen, ich sei der Ansicht, damit die Flüchtlingssituation allumfassend beschreiben zu können. Ich bin mir aber durchaus der Schwierigkeiten von Integration und Verteilung bewusst. Aber das war nicht der Kern meiner Aussage. Es ging mir darum, die scheinbar riesengroße Zahl von einer Millionen Menschen, die Begriffe von Flut, Welle und Invasion einfach mal in eine andere Relation zu setzen. Denn genau hier entstehen die Ängste, die einen irrational werden lassen.

Sie haben das Video aus der ZDF-Mediathek ja selbst auf ihrer Facebook-Seite geteilt. Dort kam es zu einiger Kritik und auch zu beleidigenden Äußerungen. Wie gehen Sie mit Hass-Kommentaren um?

Ich lese sie, soweit ich den Überblick behalte. Und natürlich geht das nicht spurlos an einem vorüber. Ich bin dann doch überrascht, zu welchen Beleidigungen sich die Kommentatoren hinreißen lassen. Als Kritik kann ich dies nur schwer ernst nehmen, weil sie mit Sachlichkeit nichts mehr zu tun haben. Aber die Angst, die dahinter steckt, die nehme ich schon ernst. Der hasserfüllte Stil ist allerdings nicht nur eine Eigenschaft derer, die eine andere Meinung haben. Auch einige von den vielen, die eher so wie ich denken, vergreifen sich erheblich im Ton. Auf die kann ich gern verzichten.

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Haben Sie Kommentare in ihrem Facebook-Profil gelöscht?

Ja, aber nur einmal. Jemand hatte zum Erschießen von Flüchtlingen und deren Familien aufgerufen. Bei vielen anderen Kommentaren habe ich das zwar überlegt, aber ich frage mich dann, wo die Grenze ist. Was ist Zensur und was einfach nur Müll wegräumen. Ich bin beim Lesen hin und wieder überrascht, dass Leuten ihr eigener Kommentar nicht peinlich ist. Man muss aber sagen, dass sich auch viele sachlich damit auseinandergesetzt haben, und eine Diskussion entstanden ist. Und das ist es, was eine offene Gesellschaft ausmacht.

Haben Sie mit einer so großen Resonanz auf ihre Rechnung mit den Flüchtlingen gerechnet?

Nein, ich war selbst verwundert. Ich habe natürlich mit Reaktionen gerechnet, das kam schon öfter vor, wenn ich mich über Alternativmedizin oder Religion geäußert habe. Aber diese Dimension hat mich dann doch überrascht.

Hatten Sie selbst einmal Kontakt mit Flüchtlingen?

Mit einem bin ich jahrelang in Urlaub gefahren, ein anderer hat die beste Kaffeebude in meiner Gegend. Es gibt eine Flüchtlingsunterkunft in meiner Nähe. Und wahrscheinlich laufen jeden Tag welche an mir vorbei. Aber das war’s dann auch schon.

Wie sehen Sie die Politik der Bundesregierung zu diesem Thema?

Oh, ich möchte nicht mit ihr tauschen. Auf der einen Seite sind da Menschen, die Hilfe brauchen, auf der anderen Seite die logistischen Herausforderungen und Ängste der Menschen. Ich finde, die sind mal grösser als ich gedacht hatte und mal komplizierter als es sein muss.

Mal was anderes: Was halten Sie eigentlich von den Satiresendungen wie „Extra Drei“ oder Jan Böhmermann und seinem „Neo Magazin Royale“?

Ehrlich gesagt bekomme ich von denen immer nur dann was mit, wenn sich wieder irgendjemand darüber aufregt.

Sehen Sie in dieser "jungen Generation" die Zukunft der Satire?

Aber natürlich. Vor allem die Jungen sind es, die etwas Neues machen, die eine junge Sicht auf die Dinge haben. Ob sie gut sind und ob sie sich durchsetzen, das entscheidet der Zuschauer.

Was ist der Unterschied zwischen ihrem Humor und der Satire eines Jan Böhmermann?

Hm … da muss ich auf die Definition von Satire zurückgreifen. „Verspotten und Anprangern“, das mache ich eher nicht. Ich habe Spaß an Wissen und wissenschaftlichem Denken. In meinem aktuellen Programm geht es eben um Irrtümer, die, wie im Flüchtlingsbeispiel, durch Fehlwahrnehmung entstehen. Und das zu erklären, den Leuten zu zeigen, wie es Spaß machen kann, seine eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten zu erkennen, das ist mehr mein Interesse.

Was ist für Sie Satire? Gibt es eine Grenze der Satire?

Ich selber mag es nicht, wenn Menschen wegen Dingen beleidigt werden, die mit dem zu kritisierenden Thema nichts zu tun haben. Also Kritik an Putin und Merkel in allen Ehren, aber warum müssen die dann als klein oder hässlich bezeichnet werden?

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