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Kommentar: Nur nette Deutsche im englischen Radio

Der britische Werberat hat einen Radiospot verboten, weil er Deutsche als agressiv darstellt. Auch wenn Deutsche doch alle lieb sind, erklärt Stephen Bench-Capon, warum er Klischees im heutigen Europa für notwendig hält.

Die heutigen EU-Länder führen keine Kriege mehr. Untereinander zumindest. Und das ist gut so. Das muss aber nicht heißen, dass sich alle gegenseitig liebkosen müssen. Im Gegenteil. Dank der EU ist es selbstverständlich, dass wir die enormen Vorteile einer Zusammenarbeit genießen wollen. Das heißt, dass wir nicht jeden Tag zu erklären brauchen, wie verliebt ineinander wir sind. Der britische Werberat sieht es anders. Wie Welt Online berichtet, hat er einen Werbespot verboten, der Deutsche als Tyrannen darstellt. Und Deutsche sind eben nicht alle Tyrannen. Also geht das nicht.

Da wir Europäer jetzt auf wirtschaftlicher und politischer Ebene zusammenarbeiten, suchen wir anderswo Spielraum, in dem wir unsere Rivalität ausdrücken können. Sport: „Ohne Holland fahren wir nach Berlin!“ bietet fruchtbaren Boden an, weil da zwei Länder direkt gegeneinander kämpfen. Eigentlich nutzen wir alle Orte aus, wo wir uns nebeneinander finden, wie am Urlaubsstrand. Da säuft sich der Engländer vormittags ins Koma und wacht mit Sonnenbrand auf. Die Deutschen schauen ihm dabei von ihren Sonnenliegen zu, die sie schon um 5 Uhr morgens mit Handtüchern reserviert haben. Diese Klischees sind mittlerweile zu verbraucht, um Lachattacke auszulösen, aber darüber lächeln kann man noch.

Auch der Werbespot ist nicht besonders lustig, aber das heißt nicht, dass er verboten gehört. Beispiel Mario Barth. Die Verwendung von Stereotypen zu verbieten zeigt kein Verständnis für die Fortschritte gegen eigentlichen Rassismus, die in den letzten Jahren gemacht worden sind. Richtig eingesetzt können Klischees doch humorvoll wirken. Eine Werbung vor der Fußball-EM 2008, an der keins der britischen Teams teilnahm, schlug den Briten vor, Spanien-Fans zu werden: „Say no to pie and yes to paella.“ Der Waliser wird mit einem Schaf und einem Lauch gezeigt, der Ire trinkt Guinness. Die Klischees hören nicht auf, aber der Spot wird nicht verboten, weil er nämlich von Briten stammt.

Es war immer so, dass man sich selbst oder die eigenen Leute auslachen durfte. Woody Allen und Sacha Baren Cohen (Borat) machen Witze, die aus nichtjüdischem Mund unmöglich wären. Letztes Jahr spielte eine VW-Werbung aufs Handtuchklischee. Wenn man andere im Visier hat, ist es natürlich heikler. Man muss Rassismus und Hass vermeiden, aber wenn man nie andere auslacht, sind wir auf gefährlichem Boden. Es wäre beinah masochistisch, wenn wir ausschließlich über uns selbst witzig machten. Alle müssen doch lachen dürfen, wenn Briten mit Skiern in den Irakkrieg ziehen. Denn nicht nur Mr. Bean, sondern alle Briten sind manchmal doof. Und das ist auf jeden Fall lustig.

Stephen Bench-Capon

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