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Panorama: Kriegsspiele an der Großen Mauer

Reiche Chinesen vergnügen sich auf einem Schießplatz bei Peking mit KriegswaffenVON HARALD MAASS PEKING."Kawumm!

Reiche Chinesen vergnügen sich auf einem Schießplatz bei Peking mit KriegswaffenVON HARALD MAASS PEKING."Kawumm!" Ein Donner wie vor einem Gewitter erschüttert das kleine Zimmer.Der junge Soldat in dem grünen Militäranzug läßt sich nicht unterbrechen."Das hier ist eine AK-47 Maschinenpistole - sehr beliebt bei unseren Kunden", erklärt er in knappem Ton.Die Zuhörer, eine Gruppe chinesischer Geschäftsleute, reichen das Gewehr mit prüfenden Blicken weiter.Hinter einer Glasvitrine sind Dutzende andere Gewehre und Pistolen ausgestellt: Eine deutsche HK-32 E, eine israelische UZI Maschinenpistole und eine Panzerfaust."Suchen Sie sich aus, was Ihnen gefällt", lädt der Soldat die Besucher ein, "das Schießen geht kinderleicht."Der "Nordchinesische Internationale Schießplatz", ein heruntergekommener Betonbau in der Nähe der Großen Mauer bei Peking, ist in diesen Tagen ein beliebter Treffpunkt der chinesischen Oberschicht.Schauspieler, Provinzkader und Filmregisseure rollen am Wochenende an.Der Nervenkitzel, mit echten Waffen zu schießen, ist für sie ein Freizeitvergnügen.Allerdings müssen sie dafür tief in die Tasche greifen.Zwischen zwei und acht Yuan (umgerechnet vierzig Pfennig bis knapp zwei Mark) kostet ein Schuß.Für zwanzig Sekunden Kugelhagel aus dem Maschinengewehr zahlt man leicht hundert Mark."So etwas kann man nur hier erleben", schwärmt der Schanghaier Unternehmer Wu, der mit seinem zwölfjährigen Sohn hierher gekommen ist.Unter der Aufsicht von zwei Soldaten darf auch der Kleine eine leichte Pistole abfeuern.Bedenken, daß sein Sohn mit einer Waffen schießt, hat Herr Wu nicht."Das schadet ihm sicher nicht", sagt der Vater.Viele Chinesen teilen diese Meinung.Die Idee des Pazifismus und der gewaltfreien Erziehung ist in China längst nicht so verbreitet wie in Europa.Chinesische Spielwarenläden sind voll mit Plastikpistolen, Maschinengewehren und anderem Kriegsspielzeug.Nachdem sein Sohn ein paar Mal geschossen hat, versucht sich Herr Wu an dem größeren Gerät.Mit zusammengekniffenen Augen visiert der Geschäftsmann die 20 Meter entfernte Zielscheibe an und jagt unter gewaltigem Lärm eine Geschoßsalve los.Nach zwanzig Sekunden ist der Spaß vorbei.Etwas benommen legt er die Maschinenpistole aus den Händen.Ganz einfach ist das Kriegspielen wohl doch nicht.Der Schießplatz, untergebracht in einer Militärkaserne, ist ein Unternehmen der chinesischen Volksbefreiungsarmee.In Zeiten der Wirtschaftsreform und knapper Kassen denken auch Chinas Generäle heute unternehmerisch.Ganz offen kann Generaldirektor Zhang Lianxiao das Gewinnstreben seines Schießplatzes allerdings nicht zugeben.Die Einrichtung sei "im Lichte der Politik der Öffnung und der Reform entstanden, um den Besuchern einen Einblick ins Militär zu geben", sagt Zhang.Weitere Fragen lehnt er ab."Die Leute sollen einfach Spaß haben", sagt er.Eine Gruppe amerikanischer Manager hat diesen offensichtlich gefunden.Als Höhepunkt ihres Wochenendausflugs haben sie beschlossen, eine Flugzeugabwehrflag zu schießen.Während die Frauen den Fotoapparat bereithalten, setzen sich die Männer zum Schießen in das grünbemalte Kriegsgerät."Kawumm! Kawumm!" Ein paar hundert Meter weiter sieht man die Geschosse in den Hügeln explodieren."Wahnsinn", entfährt es dem Schützen."Das ist wie im echten Krieg." Dann geht er mit seiner Kreditkarte zur Kasse.

HARALD MAASS

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