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Sittensen

© dpa

Kriminalität: Wer steckt hinter dem Blutbad von Sittensen?

Sieben Morde, sieben aus nächster Nähe erschossene Menschen: In der 6000-Seelen-Gemeinde Sittensen in Niedersachsen geschah vor knapp einem Jahr ein grausames Verbrechen. Jetzt beginnt der Prozess gegen die mutmaßlichen Täter.

Die Inhaber des China-Restaurants "Lin Yue" und vier ihrer Angestellten liegen am frühen Morgen des 5. Februar tot in Blutlachen. Einige wurden gefesselt und mit Kopfschüssen getötet. Ein weiterer Mitarbeiter stirbt kurze Zeit später an seinen schweren Verletzungen. Nur die kleine Tochter des Betreiber-Ehepaares überlebt das Massaker. Ein Verbrechen, das bundesweit Entsetzen auslöst. Auch ein Jahr nach den Todesschüssen bleibt die juristische Aufarbeitung der Gewalttat indes eine zähe Angelegenheit.

Heute begann vor dem Landgericht in Stade der zweite Prozess um den siebenfachen Mord, nachdem der erste im Dezember nach vier Monaten wegen der Erkrankung einer Richterin geplatzt war. Mit verdeckten Gesichtern und teils in Handschellen werden die fünf beschuldigten Vietnamesen zur Anklagebank geführt. Drei von ihnen wird Mord, den anderen beiden schwerer Raub und Anstiftung zum schweren Raub vorgeworfen.

Angeklagte schweigen

Gleich nach dem grausigen Leichenfund gab es vor einem Jahr reichlich Spekulationen über Mafiabanden und Schutzgelderpressung. Ihr Schweigen zu den Vorwürfen brechen die Angeklagten auch im zweiten Verfahren nicht. Hintergrund der Morde ist nach Auffassung der Staatsanwaltschaft jedoch ein Raubüberfall. Sieben Menschen mussten sterben für eine Beute von etwas mehr als 5000 Euro, Handys und Laptops.

Der Vorsitzende Richter Hans-Georg Kaemena bedauert gleich zu Beginn, dass die Strafsache "leider" zum zweiten Mal aufgerufen werden muss. Keine Ersatzrichter, keine Ersatzschöffen, nach nur 18 Verhandlungstagen fand der erste Prozess ein jähes Ende. Nichts an gewonnenen Erkenntnissen darf genutzt, alle Zeugen müssen neu gehört werden. 40.000 Seiten Ermittlungsakten liegen dem Verfahren zugrunde, die juristische Aufarbeitung der Gewalttat beginnt bei Null.

"Widersprüche in den Anklagen"

Wie bereits im ersten Anlauf startet auch in dem neuen Verfahren der Prozess mit einer Flut von Anträgen der Verteidiger. "Mangelnde Akteneinsicht", Haftbeschwerden, Fehler bei der Besetzung der Kammer, werfen die Juristen dem Schwurgericht vor, sprechen ihm sogar jede Zuständigkeit für den Fall ab. "Widersprüche in den Anklagen", kritisiert zudem Anwalt Armin von Döllen die Staatsanwaltschaft. "Es können nicht alle geschossen haben. Was wollen Sie nun anklagen?" Es sei das Prinzip der Mittäterschaft, kontert Staatsanwalt Johannes Kiers.

Kaemena will in dem neuen Prozess zwar aufs Tempo drücken und bis zu dreimal pro Woche verhandeln, doch zeigte sich schon im ersten Anlauf, dass sich das Gericht auf Drängen der zehn Verteidiger immer wieder mit Grundsätzlichem werde beschäftigen müssen. "Es ist relativ wenig geklärt worden", sagt auch Gerichtssprecher Björn Kauffert. 52 Verhandlungstage sind angesetzt, doch die Verfahrensbeteiligten gehen von einem langwierigen Prozess aus. Schon heute musste der Prozess nach nur gut zwei Stunden wegen der Erkrankung eines Anwalts abgebrochen werden, obwohl bereits erste Zeugenvernehmungen geplant waren. Und auch der Bremer Anwalt Bernhard Docke ist sich sicher: "Es wird absehbar lange dauern."

Oliver Pietschmann[dpa]

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