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© Ard

Panorama: Kunst und Qual

Ellis Kaut, Erfinderin des Pumuckl, hat mit fast 90 Jahren ihre Memoiren geschrieben

So schön, wie die Leute immer dächten, sei das Schreiben meistens nicht, sagt Ellis Kaut, die eigentlich Elisabeth heißt und jetzt fast neunzig Jahre alt ist. In dem Alter darf man das: Zweifeln, auch an dem, was das Leben einmal hauptsächlich ausgemacht hat. Ellis Kaut sitzt, solcher Art sinnend, in München im Café vom Valentin-Museum und also am rechten Platz. Wie war noch der Satz des Münchner Originals: Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit! Genau.

Ellis Kaut hat sich ein letztes Buch, nun ja, abgerungen, jedenfalls hat sie selber nicht mehr recht daran geglaubt, dass es einmal fertig werden würde, denn schließlich handelte es sich nicht um eine Terminarbeit (da war Ellis Kaut immer mordspünktlich), sondern um Lebenserinnerungen. Und der Pumuckl, das sollte man gleich dazu sagen, spielt in diesem Zusammenhang zwar eine große, aber eben keine übergeordnete Rolle.

Was unter anderem daran liegen könnte, dass er eher nebenbei entstanden ist, als die Leiterin des Kinderfunks im bayerischen Rundfunk, Frau Franck, und ihre Mitarbeiterin Ellis Kaut vor einer Mappe ohne Manuskripte saßen. Was tun? Ellis Kaut kommt eine dramatischkomödiantische Person in den Sinn: klein, frech, aber kein Gartenzwerg, wilde rote Haare und nicht die Spur einer Zipfelmütze. Und aus zwei geplanten halbstündigen Sendungen wurde ein halber deutscher Kinderzimmermythos, der es bis nach China und Georgien gebracht hat.

Dabei, um historisch korrekt zu sein, ist der Radio-Pumuckl ja zunächst seinem Medium gemäß unsichtbar geblieben. Erst an der Seite von Gustl Bayrhammer als Meister Eder, lernte Pumuckl optisch laufen; Real- und Animationsfilm wurden in eins geblendet. Sie gestehe, sagt Ellis Kaut, dass sie selbst, als der Pumuckl sich buchstäblich selbstständig machte, nicht immer so gut wie er gestimmt gewesen sei, und das Schreiben schon manchmal auch „eine Qual“ war. Natürlich aber hat es ein Leben vor dem kauzigen Klabautermann gegeben. Elisabeth Kaut, Halbschwäbin und geboren in Stuttgart, dann aber durch Umzug schnell zum Münchner Kind mutiert, hatte viele Talente. Als die Prokuristentochter Schauspielerin werden wollte, riet ihr der Vater, doch wenigstens das Maschineschreiben zu perfektionieren und sich bei der Stadt München zu bewerben. Später zahlten sich die Tipps aus. Ihrem späteren Mann, dem Kulturbeamten und Journalisten Kurt Preis, eine Liebe auf den ersten Blick, suchte Ellis Kaut nämlich sofort mit einem Selbstbildnis zu beeindrucken, das sie aus Ton gefertigt hatte. Der war noch nass. Und Preis – dem später auch der Name Pumuckl eingefallen ist – meinte schlagfertig und frech, eine Ohrfeige würde dem Gesicht etwas Markanteres verleihen. Diese Äußerung wiederum kränkte Ellis Kaut so, dass sie sich ohrfeigen musste. Beziehungsweise ihr Porträt. Und der Ton war immer noch nass. Und was tat nun wieder Ellis Kaut? Schrieb ein Feuilleton über ihren Mut und Hochmut, übers Schaffen und Scheitern einer angehenden Artistin, die „Geschichte meines Kopfes“. Die Geschichte schickte sie an die „Münchner Neuesten Nachrichten“. Und die Zeitung druckte. Neben Improvisationstalent gehört eine gewisse Hartnäckigkeit zum Leben von Ellis Kaut dazu.

Von der profitiert sie, als sie sich im Krieg als junge Mutter wiederum mit der Bildhauerei durchschlagen muss. Später gewinnen Kaut und Preis mit beispielhaften bayerischen Dialogen 1957 den Hörspielpreis des BR. Das lebendige Gespräch zwischen zwei Menschen bleibt Kauts Domäne, deren Witz im Kinderbuch zuerst den Kater Musch populär macht und anschließend – und noch vor dem Pumuckl – Schlupp vom grünen Stern. Beides sind Figuren, die Ellis Kaut nicht austüftelt, sondern mehr oder minder fertig im Moment vor ihrem geistigen Auge stehen: Ton, im Kopf als Skulptur bereits fertig. Der Rest – Phantasie.

Ellis Kaut, „Nur ich sag ich zu mir. Mein Leben mit und ohne Pumuckl“, Langen Müller Verlag 222 Seiten, 19,95 Euro.

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