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Kunstauktion: Verstreut an alle Wände

Christie’s versteigert die Kunstsammlung von Yves Saint Laurent und seinem Partner Pierre Bergé.

Zu Tausenden harren sie geduldig in der Kälte aus: Bis um Mitternacht stehen sie vor dem Grand Palais in Paris Schlange, um einen Blick auf die einmalige Kunstsammlung zu werfen, die der 2006 verstorbene Modeschöpfer Yves Saint Laurent und sein Lebensgefährte Pierre Bergé während fünfzig Jahren ihres gemeinsamen Lebens aufgebaut haben: Gemälde, antike Skulpturen, Miniaturen, Renaissance-Bronzen, Asiatika, Goldschmiedearbeiten und Stilmöbel. Vom Montagabend an wird drei Tage lang alles versteigert.

Von der „Auktion des Jahrhunderts“ schwärmen die Pariser Gazetten: Unter den Hammer kommen nicht einfach 733 mehr oder weniger wertvolle Kunstgegenstände, sondern ein „Gesamtkunstwerk“, wie es Francois de Ricqlès ausdrückt, der stellvertretende Direktor der französischen Filiale des Londoner Auktionshauses Christie’s, das die Versteigerung organisiert. Wie ein Spiegel gebe es eine Ära und ihren Lebensstil wieder. Entsprechend erwartungsvoll schreiten die Besucher wie zu einer letzten Hommage durch das Eingangsportal mit einem riesigen Porträtfoto der beiden Sammler in die Ausstellungshalle.

Einigen betuchten Kunstkennern hatte Christie’s zuvor noch das Privileg eingeräumt, die Kunstwerke an ihren Originalplätzen in der überladen dekorierten Wohnung des begnadeten Modeschöpfers in der Rue de Babylone zu bewundern. Dabei soll es so ehrfürchtig wie beim Besuch eines Heiligtums zugegangen sein. Die 1200 Plätze für den wichtigsten ersten Versteigerungsabend sind seit langem vergeben. In den Luxushotels von Paris gibt es kein freies Zimmer mehr.

Schon bald, nachdem sich Saint Laurent und Bergé 1958 kennengelernt hatten, begannen sie, Kunst zu sammeln. Das erste Oeuvre, das sie gemeinsam erstanden, war eine Holzskulptur des Bildhauers Constantin Brancusi, „Porträt der Madame L.R.“, für die jetzt laut Katalog ein Preis von 15 bis 20 Millionen Euro angesetzt ist. Auch die Ankäufe weiterer Werke, von Degas über Picasso, Matisse, Leger und Braque bis zu chinesischen Tierköpfen, Augsburger Goldschmiedearbeiten und den Art-déco-Möbeln von Lalanne, seien gemeinsam entschieden worden, sagte Bergé in einem Interview. Es handele sich um ein „intimes Ensemble“. Er könne nicht einmal sagen, zu welchem Ankauf er den Anstoß gegeben habe.

Kenner weisen darauf hin, dass der scheue Saint Laurent wenig reiste, so dass Bergé, der als Manager das Modehaus Yves Saint Laurent führte und als Mäzen auch heute noch eine wichtige Figur der Pariser Szene ist, die treibende Kraft hinter den gemeinsamen Entscheidungen war.

Kunst war für Saint Laurent – der laut Bergé schon „mit einem Nervenzusammenbruch zur Welt kam“ – ein Beruhigungsmittel. Was ihm Kunstwerke bedeuteten, erschließt sich dem Betrachter, wenn er beispielsweise vor einem der Bilder Mondrians steht, deren geometrische Farbkompositionen die Haute-Couture-Kollektion 1965 inspirierte. An einem Bild von Goya, dem Porträt eines Jungen mit seinem Hündchen, hing Saint Laurent so sehr, dass er es nicht verwinden konnte, dass Bergé es an den Prado in Madrid auslieh. Dieses Bild wurde auf Wunsch Saint Laurents von der Auktion ausgenommen und dem Louvre vermacht. Ein anderes Kunstwerk, eine Tapisserie von Edward Burne-Jones, schenkte Bergé dem Musée d’Orsay.

Alles andere wird nun in alle Winde zerstreut. Und auch das sei eine gemeinsame Entscheidung, sagte Bergé. Bewusst sollte die Sammlung nicht komplett einem Museum übergeben werden: Andere Sammler sollen jetzt die Chance erhalten, die Werke zu erwerben. Für ihn allein habe die Sammlung ihre Bedeutung verloren. Er trenne sich von ihr „ohne Bedauern und ohne Nostalgie“.

200 bis 400 Millionen Euro soll die Auktion einbringen. Allein der Katalog kostet 200 Euro. Einen Teil des Erlöses will Bergé in die Stiftung Bergé-Saint Laurent stecken, die das Werk des Modemachers erhalten soll; den Rest spendet er für die medizinische Forschung gegen Aids.

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