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Panorama: Landwirtschaftshochhaus: Schweinemast im dritten Stock, Lachse im Keller

Stapeln können sie, die Niederländer. Das haben sie mit ihrem Expo-Pavillon gezeigt, in dem Landschaftstypen übereinander geschichtet waren.

Stapeln können sie, die Niederländer. Das haben sie mit ihrem Expo-Pavillon gezeigt, in dem Landschaftstypen übereinander geschichtet waren.

Der Flächenmangel in den Niederlanden - dem am dichtesten besiedelten Land Europas - lässt Agrarpolitiker an neue Formen der Nahrungsmittelproduktion denken. Nicht mehr auf dem Land, sondern in Industriegebieten sollen Schweine künftig gemästet und verwurstet werden.

Bisher gesellen sich zu den 16 Millionen Bewohnern des kleinen Landes 90 Millionen Hühner, 13 Millionen Schweine, 4,5 Millionen Rinder und 1,5 Millionen Schafe - die Massentierhaltung in den Niederlanden ist an die Grenzen ihres Wachstums gestoßen. Der linksliberale Agrarminister Laurens Brinkhorst möchte darum zumindest einen Teil der Nahrungsmittelproduktion vom Land in die Industriegebiete der Ballungszentren verlagern.

Sein Ministerium lotet derzeit die Möglichkeiten für den Bau einer integrierten Gemüse-, Tier- und Fischfabrik im Rotterdamer Hafen aus. In und auf einem 200 Hektar großen und sieben Stockwerke hohen Koloss sollen nicht nur 1,2 Millionen Hühner und 300 000 Schweine gemästet, sondern auch eine Lachszucht, Gewächshäuser, Schlachthöfe und ein Windmühlenpark untergebracht werden.

Effizienter und umweltfreundlicher als die herkömmliche industrielle Tierproduktion sei die Haltung und Verarbeitung in dem Hafenhochhaus, preisen dessen Schöpfer seine Vorzüge an. Futter und Dünger können direkt per Schiff angeliefert werden. Die Abwärme der Tiere und aus dem Schweinemist gewonnenes Methangas würde die Gewächshäuser heizen, Hühnermist und Gülle würden im Agrarkomplex zu Pflanzendünger verarbeitet. In den Kellern sollen Fische in Bassins dümpeln. Gefüttert werden die Lachse mit Schlachtabfällen. Im Erdgeschoss sind die Schlachtereien für die Tiere geplant, die in den ersten drei Stockwerken hausen. Champignons sollen im dunklen Zwischenstockwerk gedeihen, auf den Dächern sollen die lichtdurchfluteten Gewächshäuser für den Gemüseanbau stehen. Doch nicht nur wegen des Stapelns verschiedener Nutzungen könnte das vom Landwirtschaftministerium so umworbene Konzept die Agrarwirtschaft des Königreichs revolutionieren. Man verspricht sich dort auch eine Verminderung des Güterverkehrs. Denn bisher sind im staugeplagten Königreich 40 Prozent aller Frachttransporte mit der Nahrungsproduktion verbunden.

In Wechselschicht auf den Balkon

Selbst an Seeluft soll es den Bewohnern der schönen neuen Tierwelt im "Deltapark" genannten Hochhaus nicht mangeln. Auf dem Balkon des dritten Stockwerks ihrer Behausung könnten die Schweine im Rotterdamer Hafen in Wechselschicht frische Nordseebrisen schnuppern.

Noch sind die Pläne für die ein Kilometer lange und 400 Meter breite Landwirtschaftsfabrik im größten Hafen der Welt nur auf Papier skizziert. Die Aussicht auf Industrie-Schnitzel aus dem Hochhaus vermag die meisten Niederländer aber jetzt schon nicht zu begeistern. Der Minister sei wohl "verrückt" geworden, empört sich der sozialistische Abgeordnete Ruud Poppe. Schweine gehörten auf den Boden und nicht ins Hochhaus, entrüstet sich der Schweinezüchterverband. Der Landbau müsse ein "Band mit dem Land" haben, meint die "Stiftung Natur und Umwelt". Auch der rechtsliberale Abgeordnete Jan Geluk wendet sich gegen eine Verlagerung der Landwirtschaft in die Städte: "Ich frage mich, ob Brinkhorst selbst noch mit beiden Beinen auf dem Boden steht."

Wenn neue Ideen keine Chance erhielten, ließen sich auch die Vor- und Nachteile innovativer Produktionsmethoden nicht herausfinden, wehrt sich der Minister gegen die Kritik. Die Tiere seien im Deltapark sicherlich nicht schlechter dran als in Betrieben der herkömmlichen Massentierhaltung, versichert Jan Broeze, der den Ministeriumsplan mitkonzipierte: "Man kann Schweine mit Menschen vergleichen, die wohnen schließlich auch in Hochhäusern." Marijke Brundt von der "Stiftung Natur und Umwelt" bezweifelt indes, ob sich die Situation der Tiere mit einem Umzug in die Stadt bessern würde: "Die Schweine haben hier schon jetzt nur auf den Einkaufstaschen der Metzger etwas zu lachen."

Thomas Roser

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