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Ausgebeutet: Feldarbeiter werden auf Ananas-Plantagen in Costa Rica oft schlecht bezahlt, arbeiten viel zu lange und haben gesundheitliche Probleme.

© Reuters

Lebensmittelhandel: Bitterer Beigeschmack

Die großen Supermarktketten werben mit nachhaltigen Produkten. Dabei kommen ihre Früchte von Plantagen, auf denen Menschenrechte verletzt werden.

Sie stehen auf den Feldern in Costa Rica, sehen Flugzeuge über sich kreisen. Ohne dass sie eine Schutzkleidung tragen, werden Chemikalien von oben auf sie herabgesprüht. „Es ist ihnen egal, wenn Arbeiter sich vergiften“, sagt ein Feldarbeiter der Ananas-Plantage Finca One. Einem Lieferanten von Lidl.

Wie Aldi, Edeka und Rewe bekommt Lidl Bananen und Ananas von Plantagen in Zentral- und Südamerika, auf denen Menschenrechte massiv verletzt werden. Das belegt der Oxfam-Bericht „Süße Früchte, bittere Wahrheit“. Anhand der Bananenindustrie in Ecuador und der Ananasindustrie in Costa Rica dokumentiert der Bericht, mit welchen ökologischen und sozialen Folgen der Anbau tropischer Früchte verbunden ist. Für ihre Recherche hat die Menschenrechtsorganisation Plantagen besucht, mehr als 200 Arbeiterinnen und Arbeiter befragen lassen und mit Experten gesprochen.

Behinderungen, Fehlgeburten, Krebsleiden

Dem Bericht zufolge sind Plantagenarbeiter und ihre Familien giftigen Pestiziden ausgesetzt. In Costa Rica würden Lieferanten deutscher Supermärkte das von der Weltgesundheitsorganisation als akut toxisch eingestufte Oxamyl und das von der EU nicht zugelassene Bromacil einsetzen. In Ecuador würden krebserregende Stoffe wie Mancozeb und Glyphosat zum Einsatz kommen. Zum Standard gehöre es, dass die Stoffe aus Flugzeugen versprüht werden, während oder kurz bevor die Arbeiter auf den Feldern stehen.

In beiden Ländern sprachen die Befragten über eine hohe Rate an Behinderungen, Fehlgeburten und Krebsleiden im Umfeld der Plantagen. Sie würden häufig unter Schwindel, Übelkeit und Allergien leiden. „Die Supermärkte kontrollieren das Aussehen der importierten Früchte penibel und geben ganze Lieferungen bei kleinsten Makeln zurück“, kritisiert Studienautorin Franziska Humbert. Aber sie würden es zulassen, dass die Menschen, die sie ernten, krank werden.

Die Löhne reichen zum Leben nicht

Oxfam kritisiert außerdem die Unterdrückung von Gewerkschaften auf Bananen- und Ananasplantagen. Das habe zur Folge, dass die Löhne nicht zum Leben reichen würden. Viele Arbeiter bekämen keine Kopie ihres Vertrags, würden viel zu lange arbeiten, Frauen würden bei einer Schwangerschaft entlassen werden. In keiner der 20 untersuchten Bananenplantagen in Ecuador würde es eine unabhängige Arbeitnehmervertretung geben. Oxfam erfuhr von „schwarzen Listen“, auf denen die Namen von Gewerkschaftern vermerkt seien. Jene, die sich trotzdem engagieren, würden regelmäßig entlassen werden.

Deutsche Supermärkte bewerben ihre tropischen Früchte immer öfter mit Nachhaltigkeitssiegeln. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Umweltorganisation Rainforest Alliance. So lockt Lidl damit, nur noch „nachhaltige“ Bananen und Ananas zu verkaufen, der Anteil von Rainforest- zertifizierten Früchten liegt bei 92 (Bananen) und 100 Prozent (Ananas). Bei Edeka und Rewe sieht es ähnlich aus, Aldi Nord und Süd planen, komplett auf Rainforest umzustellen. Nur schnitten die zertifizierten Plantagen bei den Oxfam-Stichproben nicht besser ab als konventionelle Betriebe.

„Die deutschen Supermärkte dürfen ihre Profite nicht weiter auf Kosten von Mensch und Natur machen“, kritisiert Humbert. Sie würden ihre Marktmacht ausnutzen, einen starken Druck auf Produzenten und Lieferanten ausüben und zu niedrige Preise zahlen. Deswegen seien sie mitverantwortlich für die Zustände vor Ort.

Unternehmen bestreiten die Vorwürfe

Befragt zu den Rechercheergebnissen, bestritten die Unternehmen in ihren Stellungnahmen die Angaben von Arbeitern und Experten oder gaben ausweichende Antworten. Nur wenige Punkte wie die Verwendung des Pestizids Mancozeb wurden bestätigt. Auf Nachfragen des Tagesspiegels reagierten sie ähnlich allgemein.

Neben dem Einzelhandel sei aber auch die Politik gefordert, sagt Humbert. Die Bundesregierung müsse Unternehmen dazu verpflichten, bei ihren Lieferanten auf Menschen- und Arbeitsrechte zu achten. Schon 2008 und 2011 hatte Oxfam ähnliche Zustände aufgedeckt. An den Verhältnissen habe sich seitdem scheinbar nicht viel geändert.

Der Handel mit Bananen und Ananas ist ein Milliardengeschäft. Im vergangenen Jahr importierte Deutschland 1,35 Millionen Tonnen Bananen im Wert von rund 845 Millionen Euro und rund 130 000 Tonnen Ananas im Wert von gut 115 Millionen Euro. Trotz steigender Produktionskosten ist der Verkaufspreis beider Früchte in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gefallen. Was die Ausbeutungsstrukturen in Costa Rica und Ecuador nur noch weiter verschärft.

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