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Panorama: Liebe deinen König

Kapstadt. Afrikas Monarchen haben keinen guten Ruf.

Kapstadt. Afrikas Monarchen haben keinen guten Ruf. Der erste Zulukönig Shaka soll seine Untertanen dafür erschlagen haben, dass sie in seiner Gegenwart niesten. Andere, wie die Könige von Buganda, trugen angeblich Fußringe aus menschlichen Sehnen. Und wenn in Zentral-Ghana ein Monarch starb, wurden Kinder geschlachtet, um ihn auf dem Weg in die Nachwelt zu begleiten.

Wie die Zeiten sich geändert haben. Auch König Mswati III von Swasiland, der letzte absolute Monarch in Schwarzafrika, wird dieser Tage der Tyrannei bezichtigt - allerdings für weit weniger blutrünstige Taten als seine Vorfahren: Dem wegen seiner Vorliebe für das Nachtleben auch als "Disco-König" bekannten Mswati wird vor allem die Beibehaltung des Ausnahmezustands zum Vorwurf gemacht, mit dem die königliche Familie das Land im südlichen Afrika seit fast drei Jahrzehnten regiert.

Nachdem die Opposition 1973, nur fünf Jahre nach der Unabhängigkeit von Großbritannien, eine Handvoll Parlamentssitze gewonnen hatte, verbot König Sobhuza, der Vater von Mswati, kurzerhand alle politischen Organisationen. Seither ist das Land kein Ein- sondern ein Kein-Parteien-Staat. Zwar hielt Mswati 1993 parteifreie Wahlen ab, doch behält er sich noch immer das Recht vor, ein Drittel der Parlamentarier, das ganze Kabinett und den Premier selber zu ernennen. Bis heute kann das Parlament denn auch ohne die ausdrückliche Billigung des Königs kein Gesetz verabschieden.

Erschreckend hohe Aidsrate

Für besonderen Wirbel hat nun jedoch ein vom König in diesem Monat erlassenes Dekret gesorgt: Um die Aids-Epidemie in seinem Land vielleicht doch noch in den Griff zu kriegen, hat der 33-jährige Mswati allen weiblichen Untertanen unter 19 Jahren ein Sexverbot von fünf Jahren erteilt. Gelb-grüne Wollquasten am Hals der Swasi-Mädchen sollen aufdringlichen Männern die Unberührbarkeit der Maiden signalisieren.

Kurze Kleider, ein romantisches Teté-à-teté und natürlich jede Form von Sex sollen demnach künftig für Teenager tabu sein. Der junge Monarch ist damit innerhalb weniger Monate erneut international in die Schlagzeilen geraten. Ähnlich wie bei seinem umstrittenen Erlass zur Einführung einer weit reichenden Pressezensur schlägt ihm auch diesmal Protest entgegen. Empörte Studenten drohen bereits mit einem landesweiten Streik.

Wer sich nicht zügeln kann und gegen das Dekret verstößt, muß eine hohe Geldstrafe zahlen oder den Eltern des Mädchens eine Kuh kaufen. Es ist nicht das erste Mal, dass der König in Moralfragen aktiv wird: Erst vor zwei Jahren hatte er mit Nachdruck die Einrichtung von Camps für HIV-kranke Swasis und deren sofortige Sterilisation verlangt, ganz so, als ob die Infizierten dadurch nicht mehr ansteckend wären. Und im letzten Jahr hatte das Parlament in Mbabane auf sein Drängen hin ein Gesetz verabschiedet, dass das Tragen von Miniröcken in Schulen untersagt.

Das Verbot soll Lehrer davon abhalten, sich mit ihren Schülerinnen einzulassen wie dies laut einer Studie des Gesundheitsministeriums in Swasiland eher die Regel denn die Ausnahme zu sein scheint. Die hohe Promiskuität in der Bevölkerung ist nach Angaben von Ärzten auch ein wichtiger Grund für die erschreckend hohe Aids-Rate in dem Königreich, wo inzwischen fast ein Viertel der eine Million Bewohner mit dem HIV-Virus infiziert sein sollen. Ebenso wichtig für die rasche Ausbreitung des Virus sind nach Ansicht von Gesundheitsexperten aber auch die strikt gehüteten Traditionen der Swasis. So mißtraut die einheimische Kultur fast schon instinktiv der westlichen Medizin. Auch sind Verhütungsmittel wie Kondome weithin verpönt.

Vor allem aber praktizieren viele Männer, vor allem auf dem Lande, noch immer die Polygamie oder haben zumindest verschiedene Sexualpartner. König Mswati selbst hat mit 33 Jahren bereits acht Ehefrauen. Allerdings gilt er damit als vergleichsweise bescheiden. Sein Vater Sobhuza hatte es mit 35 Jahren bereits auf 40 Frauen gebracht - und ehelichte später noch 25 weitere.

Trotz der gravierenden Folgen der Polygamie für das Land, hinterfragen in Swasiland nur die wenigsten den traditionellen Lebensstil und die Ausnahmestellung des Königs. Ebenso wie die Parlamentarier sind auch die meisten Swazis, die in den malerischen Hügeln und Tälern eines Landes von der Größe Sachsens leben, unverblümt königstreu. Die große Mehrheit betrachtet Mswati als das Oberhaupt einer großen Familie und den Wächter liebgewonnener Traditionen wie etwa den jährlichen Ncwala, bei dem ein schwarzer Bulle von jungen Kriegern zu Boden geschlagen und geschlachtet wird. Anschließend setzt sich der König in seiner ganzen Mannespracht auf das getötete Tier, um damit seine Virilität zu erneuern.

Eine andere wichtige Tradition ist der jährliche Umhlanga oder Ried-Tanz, der traditionell zu Frühlingsbeginn die Jungfräulichkeit und Unschuld der Swazimädchen zelebriert. Tausende junger Frauen, die nur einen Lendenschurz tragen, machen sich dann auf den Weg zum königlichen Kraal nach Ludzidzini im Tal des Himmels und sammeln unterwegs Schilfgras für den Wohnsitz der Königsmutter. Doch die Mädchen kommen noch aus einem anderen, weit wichtigeren Grund: Zumindest eine von ihnen wird von König Mswati aus Anlaß des Ried-Tanzes zur Braut genommen .

Angesichts des starken Hangs zur Tradition dürfte die Zukunft des kleinen Königreiches am Südrand des Krüger-Nationalparks wohl noch für lange Zeit in den Händen des jungen Königs und seiner Mutter liegen. Darauf deutet jedenfalls der Verlauf der jüngsten Proteste gegen die Monarchie hin: Als die Studenten des Landes im letzten Jahr vor dem Königspalast demonstrierten und mehr Freiheit forderten, spendierte Mswati ihnen spontan einen Ochsen - und die satten Kommilitonen zogen von dannen und priesen ihren Herrscher.

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