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Ein Mann mit mehreren Frauen – das ist nicht nur eine Männerfantasie von Woody Allen, wie hier mit Scarlett Johansson, Penélope Cruz und Javier Bardem in „Vicky Christina Barcelona“.

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Männer und Frauen: Die Liebesforschung untersucht das Beuteschema von Karrierefrauen

Ein Bestsellerautor will erklären, warum erfolgreiche Frauen ausgerechnet die "Bad Boys" unter den Männer am attraktivsten finden. Die Gründe, warum Männer und Frauen bestimmte Partner wählen, sind allerdings komplex.

Die Liste seiner Eroberungen ist lang: „Hier in Deutschland zweihundertunddreißig, hundert in Frankreich und neunzig in Persien, in Italien sechshundertundvierzig, aber in Spanien schon tausend und drei.“ Ein ziemlich mieser Charakter, dieser Don Giovanni. Erobert und betrügt ohne Unterschied „Kammerzofen, Baronessen, hochgeborene Prinzessen“, wie es in der „Registerarie“ in Mozarts berühmter Oper heißt. Ein Stück aus einer Zeit, in der das soziale Gefälle, nicht zuletzt aber auch die naive Ahnungslosigkeit des weiblichen Geschlechts gut situierten, begabten Verführern das Leben leicht gemacht haben.

Eine vergangene Zeit? Andererseits hält sich schon seit Wochen ein Buch auf den Bestsellerlisten, das einige der Freundinnen von Don Juan oder auch von Giacomo Casanova sich wohl auch gleich gekauft haben würden, weil es darin um ihre Probleme geht. Auch im 21. Jahrhundert scheinen sich viele Frauen darin wiederzuerkennen. Der Titel fasst wie in einem Stoßseufzer ihre deftigsten Flüche zusammen – und wäre den Damen des 18. Jahrhunderts reichlich unflätig erschienen. In „Scheißkerle. Warum es immer die Falschen sind“ berichtet der Unternehmer Roman Maria Koidl über merkwürdige Männercharaktere: Die einen melden sich nach der gemeinsamen Nacht überhaupt nicht mehr, die anderen suchen die eher laue Beziehung und wollen sich allenfalls alle zwei Wochen mal treffen, die dritten sind ‚noch nicht für eine neue Beziehung bereit‘, die vierten beteuern jahrelang, ihre Ehe sei nur noch eine Formsache und sie wollten sich bald scheiden lassen: Männer als Bad Boys, Fremdgeher, Falschspieler, charmante Betrüger mit eingebauter Nähe-Phobie und Bindungsangst.

Frauen machen ihre Partner besser, als sie sind

Koidl berichtet von jeder Menge beruflich erfolgreicher, gut aussehender Frauen, die sich der trügerischen Zuversicht hingeben, ausgerechnet diese Männer durch ihre Liebe und ihren eigenen zwingenden Charme ändern zu können. „Die wahrscheinlich größte weibliche Falle ist Hoffnung und mit ihr die Neigung von Frauen, das, was sie an einem Partner haben, zu idealisieren, es in ein besseres (ein romantischeres) Licht zu rücken.“

Wer denkt da nicht an Jörg Kachelmann, über den im Zuge seines Prozesses bekannt wurde, dass er landauf, landab bei Dutzenden von Frauen immer wieder per SMS gut Wetter machte und Beziehungen am Laufen hielt? Koidl führt zum Beweis seiner These einige (wahre?) Geschichten aus seinem eigenen Bekanntenkreis ins Feld. Immer wieder mahnt er die Frauen, die Finger von Männern zu lassen, die Beziehungen halbherzig beginnen, sich ewig nicht melden, nichtssagende SMS verschicken, die auch als Rundschreiben taugen würden. Suchen sich die Frauen also immer wieder den Falschen?

Und fragen sich dann noch, was sie selbst falsch gemacht haben? „‘Eigentlich ist er ja ganz anders‘ ist der Schlüsselsatz dieser verzweifelten Schatzsucherinnen.“ Als Frauenversteher bittet Koidl seine attraktiven reiferen Freundinnen inständig, schon zu Beginn einer Beziehung auf Qualität zu achten. „Das Geheimnis einer gesunden Beziehung liegt weniger in ihrem Verlauf als in ihrem Beginn.“

In der Realität stehe dem kritischen Blick allerdings oft eine moderne Form der Torschlusspanik entgegen. „Suchen viele Frauen mit zwanzig noch unter der Vorgabe ,neuwertig’ einen Partner, so sind sie mit dreißig mit ,mängelfrei’ zufrieden. Aber was ist dann mit vierzig und wie weit kann man sein Anspruchsdenken reduzieren? Kommen irgendwann nur noch Weiße-Tennissocken-Träger als Partner in Frage? Das Ergebnis einer derartigen Zukunftsbetrachtung ist nackte Panik.“

Einen Ausweg sieht Koidl für seine Freundinnen nicht: „Um es gleich vorwegzusagen: Ja, es gibt deutlich mehr ’gute’ Frauen, als es ’gute’ Männer gibt, und damit verschlechtert sich natürlich auch die statistische Wahrscheinlichkeit, einen netten Kerl abzubekommen.“

Stimmt die Botschaft des Bestseller-Autors?

Eine Botschaft, die den Frauen schmeicheln mag, so niederschmetternd es auch wäre, wenn sie stimmen sollte. Doch stimmt sie wirklich? Für die erfolgreichen, attraktiven Frauen von heute werde bei der Partnersuche die Luft vor allem deshalb dünn, weil sie immer noch nach Männern suchten, zu denen sie intellektuell und wirtschaftlich „aufschauen“ könnten, sagt der Münchner Arzt und Paartherapeut Stefan Woinoff. „Überlisten Sie Ihr Beuteschema!“, fordert er die erfolgreichen Frauen auf. „Der Mann, den die Frauen öffentlich fordern, den wollen sie privat eigentlich gar nicht“, sagt Woinoff. Beim Verlieben jedenfalls folgen sie seiner Beobachtung nach immer noch archaischen Mustern. Für die Männer dürfte das umgekehrt nicht weniger gelten. Geraten also aktuell Emanzipation und archaische Emotionen bei der Partnerwahl in Widerstreit?

„Man darf komplexe Dinge nicht zu sehr vereinfachen“, mahnt der Biopsychologe Peter Walschburger von der Freien Universität. Wer über Partnerwahl nachdenkt, muss zugleich das natur- und das kulturgeschichtliche Erbe berücksichtigen, das Männer wie Frauen mit sich tragen. „Leidenschaftliche Liebe ist – evolutionspsychologisch gesehen – eine Fortpflanzungsstrategie“, gibt Walschburger zu bedenken. Ihre naturgeschichtliche Funktion liegt darin, dass zwei zuvor Fremde so intim werden, dass sie sich fortpflanzen. „Die danach folgende, heutzutage meist wesentlich längere Phase der Partnerschaft wird durch ganz andere Bedingungen aufrechterhalten.“ Traditionell erscheint dann der reiche, starke Mann – das gesellschaftliche „Erfolgsmodell“ – als besserer Versorger für die Kinder.

Andererseits lebt die moderne Frau in dem Bewusstsein, es sei nicht mehr nötig, die Männer mit dieser Elle zu messen. Die wiederum bekommen Angst vor dem Erfolg ihrer Partnerinnen. „Bisweilen werden sie auch durch deren starkes Auftreten verunsichert und in ihrer Leidenschaft gebremst“, sagt Walschburger. „Und alle beide merken sie, dass das Sich-Verlieben und die weitere Entwicklung einer Beziehung sich nicht so rational planen lassen wie eine berufliche Karriere.“

Auch Männer leiden, wenn sie an die Falsche geraten

Ein Aspekt, den Koidls – nur vordergründig frauenfreundliches – Buch vollkommen ausblendet: Auch Männer können darunter leiden, immer wieder an die „Falsche“ zu geraten, an eine Frau, die sie schlecht behandelt, schnöde abfertigt oder unendlich lange hinhält. „Letztlich sind immer die Unterschiede zwischen den Individuen am größten, nicht die zwischen Männern und Frauen als Gruppe“, sagt Walschburger.

Mit diesen Unterschieden zwischen Individuen und ihren Auswirkungen auf die Liebe beschäftigt sich seit Jahren die amerikanische Anthropologin und Liebesforscherin Helen Fisher. Jetzt ist in den USA ihr neues Buch herausgekommen, es trägt den interessanten Titel: „Why him? Why her?“ und verspricht neurobiologisch fundierte Unterstützung bei der Partnersuche. Auch Fisher teilt die Welt ein wenig schematisch ein – die Kategorien verlaufen jedoch nicht entlang der Geschlechtergrenze, und sie sind ansatzweise durch wissenschaftliche Befragungen abgesichert. Wer zu wem passt, darüber entscheiden ihrer Ansicht nach zumindest grob vier Botenstoffe und Hormone. Natürlich stehen diese Stoffe uns allen zu Gebote, und Fisher betont auch, dass es „Mischformen“ in Hülle und Fülle gibt. Etwas plakativ unterscheidet die Anthropologin trotzdem vier Grundtypen: „Entdecker“, „Baumeister“, „Regisseure“ und „Diplomaten“. Paare harmonieren ihrer Ansicht nach zum Beispiel besonders gut, wenn einer von beiden ein analytisch denkender, entscheidungsfreudiger „Regisseurs“-Typ ist, der andere eher ein intuitiver, fantasievoller, wortgewandter „Diplomat“. Bei Ersterem sei besonders das Hormon Testosteron im Spiel (über das nicht nur Männer verfügen), bei dem zweiten das „Kuschelhormon“ Ocytocin (über das auch Männer verfügen). Der Botenstoff Serotonin wiederum führt die Regie bei den ruhigen, sozialen und beständigen Menschen, die Fisher den „Baumeistern“ zuteilt. Der Neurotransmitter Dopamin dagegen macht Menschen besonders neugierig, spontan und risikofreudig. Sie werden zu Entdeckern und Eroberern – auch in der Liebe. „Entdecker“ können Menschen gut mitreißen und leicht um den Finger wickeln, sie können andere durch ihre Sprunghaftigkeit aber auch besonders leicht verletzen.

Wie gut ein selbstbewusster Charmebolzen mit mehreren Frauen und ihren verschiedenen Gefühlen jonglieren kann, zeigt Woody Allens Film „Vicky Christina Barcelona“ mit Scarlett Johansson, Penélope Cruz und Javier Bardem. Der Film ist zwar eine Männerfantasie von Woody Allen, aber es gibt eben diese Männer.

Die Annahme, dass allein der unschuldige Botenstoff Dopamin einen Menschen zum Casanova macht, wäre allerdings doch ein wenig simpel. Eine starke Scheu, feste Bindungen einzugehen, lässt sich ohne Rückgriff auf Kindheitserfahrungen kaum erklären. Die Männer, von denen Roman Maria Koidl berichtet, stellen schon deshalb keinen repräsentativen Querschnitt ihres Geschlechts dar. Don Giovanni ist eine Ausnahme. Frauen sollten ihn nur rechtzeitig erkennen.

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