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Duisburg Mafia

© dpa

Mafia-Mord: Blutrache in Duisburg

Nach einer Geburtstagsfeier im Restaurant "Da Bruno" sterben in Duisburg sechs Männer im Kugelhagel der Mafia. Opfer und Täter gehören zu rivalisierenden Familienclans. Ein verjährter Scherz mit Faschingsböllern soll der Grund sein.

Es klingt wie das Drehbuch zu einem Mafia-Epos: Im Jahr 1991 soll ein Scherz bei einer Karnevalsfeier zum Streit unter Mafia-Familien im kalabrischen San Luca geführt haben. Gezündete Faschingsböller waren der Stein des Anstoßes. Eine Schlägerei unter Mitgliedern der Familien Strangio-Nirta und Pelle-Romeo die Folge. Monate später kam es zur Blutrache mit ersten Morden. Ein zwischen den Familien vereinbarter "Waffenstillstand" hielt bis 2006 - jetzt schlugen die Killer in Duisburg zu.

Nach der Mordnacht, in der sechs Italiener in der Duisburger Innenstadt regelrecht hingerichtet wurden, sucht die Polizei zwei unbekannte Männer, die sich nach Augenzeugenberichten zum Zeitpunkt des Verbrechens in der Nähe des italienischen Restaurants "Da Bruno" am Hauptbahnhof aufgehalten haben. Mafia-Fahnder in Rom und Region Kalabrien sprechen von einer "neuen Qualität" der Auseinandersetzung. Es habe niemals zuvor eine derart brutale "Hinrichtung" so vieler Unschuldiger außerhalb Italiens gegeben. "Es handelt sich um einen Akt der Barbarei, die man versuchen muss zu beenden", sagte einer der obersten Mafia-Jäger Piero Grasso. Die Ermittler gehen von einer Verbindung der einstigen Fehde um Faschingsböller und dem Attentat in Duisburg aus. Bislang habe der misslungene Faschingsscherz 15 Menschen das Leben gekostet.

Gezielter Angriff in Deutschland

Die Killer, so die Vermutung der Fahnder, hätten vermutlich in Deutschland zugeschlagen, weil sie in Italien unter strenger Beobachtung stehen, so Grasso. Andere Experten gehen davon aus, dass es sich um ein "angekündigtes Blutbad" handelt. "Man konnte nicht wissen, wo und wann es passiert, aber wir waren uns sicher, dass es weitere Tote geben wird", erklärte ein Staatsanwalt aus Kalabrien. Die italienische Polizei befürchtet, dass nach dem Blutbad von Duisburg nun auch in San Luca wieder gemordet wird.

Die Täter durchsiebten ihre Opfer "mit einer Vielzahl von Kugeln". Die Geschoss-Salven richteten sie auf zwei parkende Autos, so die Mordkommission. Letztlich starb jeder der Männer durch einen gezielten Kopfschuss. Die Obduktion der Leichen werde vermutlich mehrere Tage dauern. Ob die Killer mit Maschinenpistolen schossen, müssen nun die Untersuchungen der am Tatort entdeckten Kugeln und Geschosshülsen zeigen. "Wir sind am Anfang von umfangreichen Ermittlungen". Der Leiter der Mordkommission, Heinz Sprenger, wollte auf der Pressekonferenz am Mittag einen Mafia-Mord zunächst nicht bestätigen. "Wir ermitteln in alle Richtungen." Auch eine Beziehungstat könne nicht ausgeschlossen werden. "Ich warne vor voreiligen Schlüssen", sagte Sprenger. Es bestehe enger Kontakt zu der italienischen Polizei.

Die mächtigsten Mafia-Familien Europas

Sowohl Opfer als auch Täter stammen aus dem kalabrischen San Luca. Nach Polizeiangaben in Rom soll es sich bei den verfeindeten Mafia-Clans um die Familien Pelle-Romeo und Strangio-Nirta handeln. Auf welcher Seite Opfer und Täter stehen muss ermittelt werden. Beide Clans sollen der 'Ndrangheta, dem kalabrischen Arm der Mafia angehören, der mit einem geschätzten "Jahresumsatz" von 35 Milliarden Euro als eine der mächtigsten Mafia-Organisationen Europas gilt. Als Spezialgebiet der 'Ndrangheta gilt der Kokainhandel. Italienische Ermittler gehen davon aus, dass die 'Ndrangheta aus etwa 100 Familienclans mit 7000 Mafiosi besteht.

Gerüchte um ein Geldwäsche-Verbrechen im Zusammenhang mit dem italienischen Restaurant "Da Bruno", vor dem die Bluttat stattfand, wollte Sprenger nicht bestätigen. Am Abend hatte dort eine Geburtstagsfeier für eines der Opfer statt gefunden. Unmittelbar danach waren die tödlichen Schüsse gefallen. Sicher ist jedoch, dass "alle Opfer einen Bezug zu dem Restaurant hatten", so der Leiter der Mordkommission. Am Duisburger Restaurant "Da Bruno" waren sie beteiligt oder arbeiteten dort. Einige Opfer sind der Polizei wegen "geringfügiger" Delikte bekannt.

Das jüngste Opfer war erst 16

Die sechs Opfer waren nach Angaben der Polizei unbewaffnet. Fünf von ihnen waren sofort tot, der sechste Mann starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Bei den Opfern handele es sich um die Brüder Marco (19 Jahre) und Francesco P. (21), die in dem Lokal aus Aushilfen arbeiteten. Weiter wurden der Inhaber Sebastiano S. (38), der 16-jährige Francesco G., der 25-jährige Marco M. und der aus Mülheim stammende 18-jährige Tomaso-Francesco V. getötet. Die Obduktion der Leichen werde "noch Tage dauern", sagte Heinz, Leiter der Mordkommission.

Nach Angaben der Polizei hatte eine Passantin gegen 2.30 Uhr die Schüsse gehört und einen zufällig vorbeifahrenden Streifenwagen angehalten. Die Beamten waren sofort zum Tatort geeilt und hatten im Umkreis von 30 Kilometern Großalarm ausgelöst. Nach Angaben der Polizei hat eine erste Auswertung einer in der Nähe des Tatortes installierten Überwachungskamera ergeben, dass zwei Männer vom Tatort "Mülheimer Straße aus kommend in Richtung Ludgeriplatz davongelaufen" seien.

Mordkommission und Polizei ermitteln

Am Mittwochvormittag vernahmen die Beamten die Angehörigen der Opfer. Die Autos, mit denen die sechs Männer unterwegs waren, wurden von Experten der Spurensicherung unter die Lupe genommen. "Die werden jetzt Zentimeter für Zentimeter untersucht", sagte Polizeisprecher Egbert Dörnemann. Auch Spürhunde werden am Tatort eingesetzt. Ein Polizei-Hubschrauber unterstützt die Spurensuche aus der Luft. (mit dpa/ddp)

Diana Maier

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