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Panorama: Medizin als Hexerei

Der Nordosten von Gabun ist eine bitterarme Region. Während einige andere Teile des zentralafrikanischen Staates zumindest ansatzweise von seinem Ölreichtum profitiert haben, verharrt die Gegend an der Grenze zum Kongo in tiefer Armut.

Der Nordosten von Gabun ist eine bitterarme Region. Während einige andere Teile des zentralafrikanischen Staates zumindest ansatzweise von seinem Ölreichtum profitiert haben, verharrt die Gegend an der Grenze zum Kongo in tiefer Armut. Doch ein Elend kommt selten allein: Seit Anfang Dezember wird die Region um die Provinzhauptstadt Mekambo nun auch noch von dem tödlichen Ebola-Virus geplagt, einem hochinfektiösen und unheilbaren Fieber, an dem viele seiner Opfer für gewöhnlich zu Tode bluten.

Zwei Monate sind vergangen, seit die jüngste Ebola-Epidemie in einem kleinen Pygmäendorf rund 700 km östlich der Hauptstadt Libreville ausbrach. Seitdem sind mindestens 34 Menschen in Ostgabun und dem angrenzenden Kongo an dem Virus gestorben, bei weiteren acht wurde das tödliche Fieber inzwischen bestätigt. Daneben werden rund 22 Dorfbewohner als potenzielle Virusträger überwacht. Dies geht aus einem Nachrichtenbulletin der Weltgesundheits-Organisation (WTO) hervor.

Nachdem es anfangs so aussah, als ob der Infektionsherd so klein sei, dass er relativ schnell unter Kontrolle gebracht werden könnte, hat sich die Situation zuletzt unerwartet verschärft: Ein von der WTO entsandtes Ärzteteam hat sich nach Spannungen mit der lokalen Bevölkerung einstweilen aus dem Infektionsgebiet zurückziehen müssen. Weshalb dies genau geschah, ist noch unklar.

Angeblich wollte das Team, in der Hoffnung den Virus zu isolieren, einige Bräuche der Pygmäen unterbinden, die zu seiner Verbreitung beitragen. So wurde den Dorfbewohnern zum Beispiel untersagt, auf die Jagd in den Busch zu gehen. Daneben sollen den Pygmäen aus Sicherheitsgründen einige Rituale verboten worden sein, die diese nach dem Tod von Familienmitgliedern für gewöhnlich verrichten.

Als weiteres Hindernis bei der Bekämpfung der Epidemie hat sich aber offenbar auch der weit verbreitete Aberglaube unter der lokalen Bevölkerung erwiesen. Kenner des Kontinents wie der emeritierte Johannesburger Anthroplogieprofessor Victor Ralushai haben immer wieder nach Erklärungsmustern dafür gesucht. Im afrikanischen Glauben, so Ralushai, regiere demnach Harmonie die Welt. Eine Störung dieses Einklangs - etwa durch Blitzschlag, Tod oder eben eine Ebola-Epidemie - werde deshalb schnell der Hexerei oder einer anderen störenden Einmischung zugeschrieben, zum Beispiel den ausländischen Ärzten.

Die Erkrankungen in Gabun sind die ersten offiziell bekannt gewordenen Ebola-Fälle seit der Epidemie in Uganda vor zwei Jahren. Dabei kamen 220 Menschen ums Leben. Zum ersten Mal festgestellt wurde das Ebola-Virus zur Mitte der Siebzigerjahre am Ebolafluss im heutigen Kongo. Weltweit ins Rampenlicht rückte die Krankheit aber erst 1995, als bei einer Epidemie in Kikwit im zentralafrikanischen Kongo mehr als 250 Menschen starben und eine weltweite Hysterie ausbrach, weil befürchtet wurde, dass das Virus sich durch die Hauptstadt Kinshasa und den internationalen Flughafen über die ganze Welt ausbreiten könnte.

Neue Aktualität hat das Ebola-Virus durch die jüngsten Anthrax-Anschläge in den USA erhalten. So hat die extrem hohe Ansteckungsgefahr Spekulationen genährt, wonach auch Viren so genannter hämorrhagischer Fieber wie Ebola künftig von Terroristen als biologische Waffen eingesetzt werden könnten. In einem Beitrag der "Neuen Zürcher Zeitung" wurden vor kurzem alle Hämmorhagischen-Fieber-Viren (HFV) von einem bekannten Tropenmediziner als "potenzielle B-Waffen" beschrieben, weil man sie in einer Gewebekultur züchten könne und ihre Erreger höchst infektiös seien.

Auch eine Ausbreitung der Viren im Westen ist demnach inzwischen nicht mehr völlig undenkbar: Zum einen könne dies als Aerosol in einer größeren Menschenmenge geschehen, zum anderen durch die Weitergabe von Körpersekreten. Dabei würde zum Beispiel ein absichtlich infizierter Terrorist, quasi als eine wandelnde biologische Zeitbombe, andere Menschen anstecken. Da sich in Europa nur wenige Virologen ausreichend gut mit hämorrhagischen Fiebern auskennen, würde es vermutlich längere Zeit dauern, bis die Ursache des Fiebers ermittelt wäre.

Wolfgng Drechsler

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