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Panorama: Mickymaus als Hüter der inneren Sicherheit

Strafrechtsprofessor untersucht Kriminalität in EntenhausenVON ONNA CORAY (AP) BERN.Mickymaus hat sich in den vergangenen fünf Jahrzehnten vom kleinen Gauner zu einem vorbildlichen Privatdetektiv gewandelt.

Strafrechtsprofessor untersucht Kriminalität in EntenhausenVON ONNA CORAY (AP) BERN.Mickymaus hat sich in den vergangenen fünf Jahrzehnten vom kleinen Gauner zu einem vorbildlichen Privatdetektiv gewandelt.Zu diesem Schluß kommt der Berner Strafrechtsprofessor Karl-Ludwig Kunz, der sich Disney-Comic-Heftchen vorgenommen und die Entwicklung der Kriminalität in Entenhausen untersucht hat.Kunz stellte fest, daß sich der Umgang mit der Kriminalität - vor allem aber Protagonist Micky - zwischen den Heftchen der Jahrgänge 1952 und 1995 markant verändert hat. Zusammen mit dem Historiker Roger Sidler belegt Kunz in seiner Untersuchung zur "Kriminalpolitik in Entenhausen" den Wandel mit einer Kriminalstatistik aller Mickymaus-Heftchen der Jahrgänge 1952 und 1995, und zwar nach den Kriterien des schweizerischen Strafgesetzbuchs.Während danach die Kriminalität in den Comics von 1952 noch als ein spielerisches, oft chaotisches Ausleben von Individualität dargestellt wird, hat sich das Verbrechen 1995 zu einer gesellschaftlichen Pest entwickelt, die es mit handgreiflicher Eigeninitiative auszumerzen gilt. Am markantesten zeigt sich dieser Wandel an der Figur von Micky.Brachte er es 1952 immerhin auf sieben Straftaten, hat er sich 1995 zum vorbildlichen Privatdetektiv mit einem Saubermann-Image gewandelt.Die Comics von 1995 ermöglichen laut Kunz der Leserschaft zudem eine klarere Trennung zwischen "Guten" und "Bösen" als jene von 1952.Waren die Figuren 1952 als Täter und Opfer noch austauschbar, gibt es laut Kunz 1995 klar definierte Rollen, wobei die Täter zunehmend anonym sind oder der "Unterwelt" von Entenhausen zugeordnet werden.In diesem Wandel spiegele sich der Zeitgeist: Das zur Neige gehende Jahrhundert präsentiere sich gerne als ein solches, das die Feindbilder verloren habe.Umso zentraler werde die "innere Sicherheit". Die Kriminalstatistiken belegen, daß die Figuren des Enten-Klans um Donald Duck weit häufiger strafrechtlich auffällig werden als der Mäuse-Klan: Lag die Zahl der in den Enten-Episoden festgestellten Delikte 1952 noch bei 121, stieg sie 1995 auf 804.In den Mäuse-Episoden stieg die Zahl der Delikte in der gleichen Zeit von 61 auf 310.1995 wie bereits 1952 werden am häufigsten die "klassischen" Delikte gegen Leib und Leben, gegen das Vermögen sowie gegen die persönliche Freiheit verübt. Weisen Donald, Dagobert und Co.eine unverändert hohe Straftatenquote auf, so hat sich die Täterstatistik bei den Mäuse-Episoden grundlegend verändert.Die Bereitschaft zum Begehen von Straftaten ist bei Micky und seinen Freunden 1995 drastisch gesunken, und Kater Karlo verübt mit 49 Straftaten mehr Delikte als der ganze Mäuse-Klan zusammen. Die Solidarität innerhalb der Klans im Kontrast zu der Anonymität im übrigen Entenhausen gewährleistet, daß sich die Leserschaft in den Klans heimisch fühlt.Die Klans werden als von dem übrigen Entenhausen abgeschottete Friedensbezirke dargestellt, die sich ein eigenes Recht geschaffen haben.Ihre partikularen Interessen verfechten sie auch mit strafbaren Handlungen und ähneln laut Kunz damit klassischen kriminellen Gegengesellschaften wie Mafia oder Camorra. Kunz, der mit seiner Untersuchung Neuland betreten hat, hat seine Erkenntnisse diesen Winter in einer Vorlesung an der Universität weitergegeben.Der Strafrechtsprofessor bekennt sich als ehemals eifriger Leser von Mickymaus-Heftchen.Er findet die Figur von Donald mit all seinen menschlichen Schwächen die beste.Daß er den neuen Micky als vorbildlichen Privatdetektiv langweilig findet, ist laut Kunz mit seiner Funktion als Strafrechtsprofessor durchaus vereinbar: "Ein Theologe braucht schließlich auch nicht fromm zu sein".

ONNA CORAY (AP)

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