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Es hat Bumm gemacht. Auch historische Reenactments gehören zum Programm der dritten Militär-Olympiade Russlands. Hier explodiert gerade ein Panzer.

© Imago

"Militär-Olympiade" in Russland: Spiel ohne Grenzen

Russland inszeniert „Kriegskunst“ als Wettkampfsport – und will damit auch militärische Stärke zeigen. Gleich zu Beginn gab es einen Toten.

Unzählige Panzer auf leichtem Sandboden. Bei Moskau, so scheint es auf den ersten Blick, werden mal wieder Massenszenen für ein Monumentalepos gedreht, das die Materialschlachten des Zweiten Weltkriegs feiert. Die Panzerschlacht am Kursker Bogen von Juli 1943 etwa, die Hitlers militärische Niederlage besiegelte.

Doch über den Sand von Alabino brettern nicht die legendären T-34, sondern ihre hochmodernen Nachfolger. Und es geht nicht darum, sich gegenseitig zu vernichten, sondern um friedlichen Wettkampf. „Panzerbiathlon“ heißt die Ballerorgie, bei der Mensch und Technik auf einem eigens dazu präparierten Parcours Gruben, Minenfelder und sogar Feuerwände überwinden müssen. Bewertet werden Schnelligkeit und Treffsicherheit.

Zur weltgrößten „professionellen Olympiade für Militärs“ jubelte das russische Verteidigungsministerium die Internationalen Armeespiele hoch, die seit Anfang August bis zum kommenden Wochenende laufen. Auf das olympische Feuer mussten die Veranstalter zwar verzichten. Sie greifen aber tief in die Historie der „Kriegskunst“ und bieten so auch einen Wettbewerb im altrömischen Wagenrennen an.

Insgesamt wollen 57 Teams mit insgesamt rund 2000 Soldaten aus 17 Ländern in vierzehn Disziplinen ihr „Geschick im Kriegshandwerk unter Beweis stellen“, wie sich der Chefkoordinator, Vizeverteidigungsminister Anatoli Antonow ausdrückte. Vertreten sind nahezu alle Waffengattungen von Heer, Luftwaffe und Marine. So werden Artilleristen um den Titel „Feuermeister“ kämpfen, und Kampfjetpiloten beim „Avia-Dart“ Kunstflugfiguren ausführen und dabei gleichzeitig auf bewegliche Ziele feuern.

Synchronkampfschwimmen zu den Klängen von Aram Chatchaturjans „Säbeltanz“ würde sicher auch gut ankommen, steht aber vorerst nicht auf dem Programm. Wettbewerbe der Armeeköche, darunter im Brotbacken, gibt es aber tatsächlich. Beim Schaubacken mit öffentlicher Verkostung zur Eröffnung der Spiele schnitten Russen und Chinesen am besten ab. „Kommissbrot“, lobte der oberste Preisrichter, Verteidigungsminister Sergei Schoygu, „muss so gebacken werden wie hier, wo sich sein Geruch über den gesamten Übungsplatz ausbreitet.“ Medaillentauglich waren auch chinesischer Bohnensalat und indische Curryhühnchen mit Reis. Die Feldköche und -bäcker müssen beim Kampf um Edelmetall allerdings auch Fähigkeiten wie Klimmzüge, 60-Meter- und 1000-Meter-Läufe sowie die Handhabung von Waffen unter Beweis stellen.

Die meisten Wettkämpfer sind mit eigenem Equipment angereist. Wer Kosten und Mühe dafür scheut, kann aber auch Technik nutzen, die der Gastgeber zur Verfügung stellt – darunter 54 Flugzeuge und zwei Schiffe.

Die Wettkämpfe werden auf gut einem Dutzend Übungsplätzen in ganz Russland ausgetragen. Darunter auch in der Region Krasnodar, die von der Krim nur durch einen viereinhalb Kilometer breiten Sund getrennt ist.

Vor allem die Ukrainekrise sorgte aber dafür, dass sich die internationale Beteiligung an den Ritterspielen in ähnlichen Grenzen hält wie bei den Sommerspielen 1980 in Moskau. Sechs Monate zuvor war die Sowjetunion in Afghanistan einmarschiert. Am Sommervergnügen der Krieger beteiligen sich nur die Mitglieder des prorussischen Verteidigungsbündnisses der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS sowie Teams aus Angola, Aserbaidschan, China, Indien, Kuwait, der Mongolei, Serbien und Venezuela. Weitere sechs Staaten – darunter Südafrika, dessen Luftwaffenchef des Lobes voll war – entsandten Beobachter. Das Rahmenprogramm sieht Sightseeing, Konzerte und Freundschaftstreffen vor.

„Menschen mit Waffen und furchterregenden technischen Kampfmitteln schütteln freundschaftlich ihrem Rivalen die Hand“, sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Sein Vize Anatoli Antonow bedauerte die Abwesenheit von Nato-Ländern. Aus seiner Sicht hätte eine Teilnahme den Dialog verbessert. „Wir sind bereit, auf ihre Übungsplätze zu kommen. Man muss aufhören, sich gegenseitig durch ein Panzerzielfernrohr anzusehen.“

So wichtig ein besseres internationales Russlandbild und eine positive Wahrnehmung seiner Streitkräfte für die Strategen in Kreml und Verteidigungsministerium sein mögen: Das Turnier ist vor allem eine PR-Aktion für den Binnenmarkt, um das Waffenhandwerk attraktiver zu machen. Denn die Nation hat zu ihrer Armee ein ambivalentes Verhältnis. Durch Unfälle, Havarien oder Drangsalierungen durch Vorgesetzte sterben nach wie vor jährlich auch in Friedenszeiten hunderte Soldaten oder werden zum Krüppel. Unvergessen: die chaotischen Rettungs- und Vertuschungsversuche nach dem Untergang des Atom-U-Bootes „Kursk“ mit 118 Mann an Bord vor 15 Jahren.

Schon am zweiten Tag der Armeespiele ist ein Hubschrauberpilot vor 4500 Zuschauern ums Leben gekommen: Seine Maschine des Typs Mi-28 stürzte bei einer Flugschau ab, ein zweiter Pilot konnte sich mit dem Schleudersitz retten. Wenig später ging die Schau weiter. (mit dpa)

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