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Schluss mit Siesta. Die Arbeitszeiten der Spanier sollen europäisiert werden.

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Mittagspause: Müssen die Spanier bald auf die Siesta verzichten?

Sie hat eine lange Tradition, die sehr lange Mittagspause in Spanien mit üppigem Mahl und Nickerchen. Nun sprechen sich plötzlich Konservative wie Sozialisten dagegen aus.

Wann ruhen die Spanier eigentlich? Nachts jedenfalls so wenig wie keine andere Nation. Auch die Arbeitszeiten sind rekordverdächtig. Wenn auch oftmals unterbrochen von einer langen Mittagspause – der „Siesta“. Damit soll nun Schluss sein: Arbeitsmediziner wollen die Spanier früher ins Bett schicken, ihren Arbeitstag straffen und die Siesta streichen.

Sie werden nun bei diesem Plan sogar von Spaniens geschäftsführendem Regierungschef, dem Konservativen Mariano Rajoy, unterstützt, der aber nach seiner Wahlschlappe im Dezember keine Mehrheit mehr hat. Rajoy hat den Wahlkampf begonnen“, kommentierte denn auch die Zeitung „El Mundo“. Doch auch Spaniens sozialistischer Oppositionschef Pedro Sánchez, der gerade versucht, eine neue Mitte-links-Regierung zu bilden, will der Siesta den Kampf ansagen und per Gesetz familienfreundlichere Arbeitszeiten einführen.

Eine Stunde weniger Schlaf

Bisher wehrte sich die Nation gegen den Wandel: Spaniens Parlament ließ in der Vergangenheit alle Initiativen zur „Europäisierung“ des spanischen Lebenswandels in der Schublade verschwinden. Und deswegen ziehen sich in dem südeuropäischen Land weiterhin die Arbeitstage bis zur Nacht hin. Mit dem Ergebnis, dass die Spanier rund eine Stunde weniger schlafen als der Durchschnittseuropäer.

Der Werktag beginnt wie im nördlichen Europa meist gegen acht Uhr – freilich ohne größeres Frühstück zu Hause. Das wird am Vormittag im Büro oder in der Espresso-Bar nachgeholt. Ab 14 Uhr rüstet sich die Belegschaft zur langen Mittagspause, die das wirtschaftliche Leben vielerorts zwei Stunden zum Erliegen bringt – während in Nordeuropa oft in 30 Minuten gegessen und dann weitergeschuftet wird.

Nach einem üppigen Mittagsmahl, bei dem Wein oftmals dazugehört, und nach dem vielleicht ein kleines Schläfchen lockt, wird die zweite Hälfte des unendlichen Arbeitstages in Angriff genommen. Nach Hause geht es dann meist erst spät, um pünktlich zum Abendessen, das zwischen 21 und 22 Uhr folgt, im Heim zu sein – zu einer Uhrzeit, wo andere Nationen schon fast im Bett sind.

In Spanien geht das Leben vor der Mattscheibe dann erst richtig los. Die besten Filme und Shows wie auch Kinderprogramme ziehen sich oft bis ein Uhr morgens hin. Kein Wunder, dass die Nation am nächsten Morgen erschöpft ist und Mediziner vom „müdesten Volk Europas“ sprechen, das mit seinem Tagesablauf in einer Art Dauer-Jetlag lebe.

Die Produktivität soll wachsen

Die „Vereinigung zur Rationalisierung der spanischen Arbeitszeiten“ (Arhoe), in der sich Wissenschaftler und Unternehmer engagieren, kämpft seit zehn Jahren für einen gesünderen Tagesablauf – bisher vergeblich. Die Experten fordern eine „Revolution“ des Lebensstils und einen Abschied von den langen Arbeits- und späten Essenszeiten.

Das würde auch der Wirtschaftsleistung zugute kommen, sagt Arhoe-Chef José Luis Casero: „Bei uns wird länger gearbeitet als in anderen EU-Staaten, aber wir sind weniger produktiv.“ Studien zeigten, dass mit strafferen Arbeitszeiten die Produktivität wachse, der Krankenstand falle und die Menschen zufriedener seien. Die Siesta-Kultur samt Mittagsschläfchen sei einfach nicht mehr zeitgemäß: „Siesta ist eher etwas für Kinder und Senioren.“ Für Spaniens Unternehmen seien die langen Pausen eher hinderlich, nabelten die Wirtschaft sogar von internationalen Märkten ab.

Abschaffung der "Hitler-Zeit"

Zudem will Casero die Uhrzeit im südlichen Königreich, wo das ewige Sonnenlicht den Tag noch zu verlängern scheint, um eine Stunde zurückdrehen und Spanien die Greenwich-Zeit verordnen. So wie es früher gewesen sei und beim iberischen Nachbarn Portugal heute noch ist. Dies sei – angesichts der geografischen Lage – Spaniens natürliche Zeitzone. Der spanische Rechtsdiktator Franco hatte im Zweiten Weltkrieg angeordnet, die Uhr in Spanien vorzustellen und sich an Deutschland anzupassen – aus Sympathie zu Adolf Hitler.

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