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Die Karriere läuft. Wenn Franziska Müller nicht gerade in Paris, London oder Mailand über den Catwalk schwebt, erholt sie sich daheim in Köpenick vom Stress.

© Thilo Rückeis

Modebranche: Schön erfolgreich

Anfangs zierte sie sich davor, Model zu werden. Heute ist Franziska Müller, 20, international gefragt.

Ein schöner Frühlingstag in Köpenick. Eine Hochzeitsgesellschaft aus dem nahen Rathaus zieht am Café „Mokkafee“ vorbei, vor dem Franziska Müller entspannt in der Sonne sitzt – nicht weit von hier wohnt die 20-Jährige. Hinter ihr liegen fünf aufregende und anstrengende Wochen. Paris, New York, London, Mailand - so liest sich die Reiseroute des neu entdeckten Topmodels, das nun eine Woche Zeit hat, sich zu Hause von den Strapazen zu erholen.

Franziska Müller ist groß, dünn und hat ein markantes Gesicht mit hohen Wangenknochen. Während ihrer Schulzeit wurde sie immer wieder von Fotografen und Agenturvertretern auf der Straße angesprochen, ob sie nicht Model werden wolle. Im Gegensatz zu vielen anderen Mädchen, denen sich eine solche Chance bietet, warf sie die Visitenkarten weg. Sie traute den Menschen nicht.

Erst nach ihrem Abitur im vergangenen Sommer war sie selbstbewusst genug. An die Agentur „Seeds Management“ in Prenzlauer Berg, bei der eine Freundin schon länger unter Vertrag war, schickte sie drei selbst geschossene Fotos. Von vorne, von der Seite und ein Ganzkörperbild, alles ungeschminkt. Minuten später wurde Franziska zurückgerufen, nach einer Woche war der Vertrag unterzeichnet. Top-Größe, Top-Maße und ein super Körperbau machen sie so interessant, heißt es auf der Agentur-Website über Franziska, die sich jetzt Franzi Mueller nennt.

Der Aufnahme in die Agenturkartei folgte ein halbes Jahr Wirbel in Berlin. Unzählige Castings und Jobs standen auf dem Programm, Franzi hat die Reihenfolge längst vergessen. Nur an die erste bezahlte Arbeit für das sogenannte Look-Book einer Modedesign-Studentin erinnert sie sich, weil sie bei dem Shooting viele schwere Koffer tragen musste. Die Modefachsprache benutzt Franzi sicher, wenn sie von ihrer Karriere erzählt. Ansonsten merkt man ihr an, dass das Neuland für sie ist: über das zu sprechen, was sie so schnell und so unerwartet schon erreicht hat. Sie berlinert beim Erzählen und blickt lächelnd nach unten, wenn sie nach den richtigen Worten sucht, während ihre Hände auf dem Cafétisch mit der pinkfarbenen Hülle ihres iPhones spielen.

Ende Januar erhielt Franzi die Nachricht, dass die renommierte Modelagentur IMG sie weltweit unter Vertrag nehmen möchte. Die Agentur hat ihren Sitz in Paris, Außenstellen in New York, Mailand, London und Hongkong. Heidi Klum, Kate Moss und Gisele Bündchen sind dort unter Vertrag. Jetzt auch Franzi Mueller. IMG ist ihr Schlüssel zum Erfolg, zum internationalen Durchbruch.

Anfang Februar reiste Franzi für einen Monat nach Paris. Der Plan: so viel wie möglich arbeiten und auf der Fashion Week laufen. Nach eineinhalb Wochen vor Ort, Franzi war gerade im Supermarkt und packte in Schlemmerlaune ihren Einkaufswagen voll, kam ein Anruf von ihrer Agentur: Du bist für die Fashion Week in New York exklusiv für Calvin Klein gebucht, dein Flieger geht morgen früh. Franzi packte alle Leckereien wieder zurück in die Regale.

Am Abend vor der Show wurde ihr mitgeteilt, dass sie als erstes Model über den Catwalk laufen würde. Damals war es ihr nicht bewusst, aber mittlerweile weiß sie, was es bedeutet, eine so wichtige Show zu eröffnen. Plötzlich kennt man in der Branche ihren Namen, mit dem sie echtes Glück hat, weil er ihre Herkunft sofort verrät und deutsche Mädchen gerne gebucht werden. Die Calvin-Klein-Show war für Franzi ein voller Erfolg, seither ist sie begehrt. Von New York aus flog sie direkt zur London Fashion Week, anschließend ging es weiter nach Mailand, dann zurück nach Paris.

Die Bilanz der vergangenen Monate kann sich sehen lassen: Mit 35 Shows ist Franzi eine der begehrtesten Debütantinnen der Modelbranche in diesem Frühjahr. Auf ihrer langen Designerliste stehen neben Calvin Klein auch Prada, Louis Vuitton, Valentino, Givenchy und Yves Saint Laurent. Es macht Spaß, sagt Franzi, die jetzt in Frankfurt / Oder Personalmanagement studieren würde, wäre sie nicht auf den Laufstegen der Welt unterwegs. Sie will beim Modeln bleiben, solange es sich lohnt. Ein Ultimatum hat sie sich jedoch gesetzt: Mit 25 will sie ein Studium anfangen und sei es nur ein Fernstudium. Sie habe keine Eile, sagt Franzi, aber aufs Cover der „Vogue“ will sie es schaffen. In der Branche kommt das einem Ritterschlag gleich.

Natürlich ist der Modeljob mitunter auch anstrengend und nervenaufreibend. Besonders weil man von so vielen Leuten angefasst wird. Manchmal hätte Franzi gern ihren Körper wieder für sich. Auch der Schlaf kam in den zurückliegenden Wochen mit durchschnittlich vier bis fünf Stunden pro Nacht zu kurz, da war es schwer, immer hübsch auszusehen. Sie hat gelernt, mit dem Druck umzugehen. Das entspannte Berliner Lebensgefühl hat sie trotzdem vermisst. „Die Leute kümmern sich hier weniger darum, wer man ist und wie man aussieht“, sagt sie.

Franzi streut sich Zucker auf den Schaum ihres Milchkaffees und rührt um. Ein paar Stunden zuvor war sie bei McDonald’s. Models äßen ziemlich viel, erzählt sie. Bei nächtlichen Fittings müssten sie manchmal vier Stunden warten – Hunger und Langweile sind die schlimmste Kombination, und wenn dann Backstage nichts zu essen bereitsteht, werden die Mädchen grantig. Das Catering bei den Modeschauen sei supergesund, aber lecker. Mitunter gibt es sogar Kalorienbomben wie Croissants. Nur Gemüse-Wraps hängen Franzi mittlerweile zum Halse raus. Dann lieber einen Döner. Für Franzis Figur kein Problem. Sie ging bis zur 11. Klasse auf eine Sportschule und trainierte bis zu zehnmal in der Woche Volleyball, bis sie wegen einer kaputten Schulter nicht mehr durfte und auf ein reguläres Gymnasium wechselte.

Dass sie die präsentierten Sachen nicht behalten darf, darüber ist Franzi nicht traurig. „Designerkleider sind nichts für Leute wie uns“, sagt sie und benutzt dabei bewusst den Plural. Nur das rote Kleid von Valentino, in dem sie in Paris über den Laufsteg lief, hätte sie gern gemopst. Franziska gibt nicht viel Geld für Kleidung aus, sondern spart es lieber. In ihrer schwarzen Röhre und dem weißen T-Shirt unterscheidet sie sich kaum von anderen Mädchen in ihrem Alter.

Noch wird Franzi auf der Straße von niemandem erkannt. Sie war schließlich nicht bei „Germany's Next Topmodel“. Die Sendung guckt sie ohnehin nicht mehr. Darin ginge es weniger um den eigentlichen Job, als vielmehr um Unterhaltung. Zu Franzis Alltag gehören Anproben, Termine bei Agenturen, Flüge zu den nächsten Einsätzen. Und eben keine Challenges oder Shootings mit Vogelspinnen oder Tigern. Franzi erinnert sich an eine Szene, in der eine Kandidatin einen Affen nachmachen musste. In Grund und Boden hätte sie sich bei dieser Aufgabe geschämt.

Franzis Chancen auf eine langjährige internationale Karriere stehen ohne „Germany's Next Topmodel“ deutlich höher. Die Siegerinnen der ersten drei Staffeln wurden einst auch durch die Agentur IMG vertreten, heute ist keine von ihnen mehr unter Vertrag. Und Heidi Klum ist ohnehin nie auf den großen Schauen in Paris, New York oder Mailand gelaufen.

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