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© dpa

Motorsport: Ein Blinder in der Kurve

Ralf Mackel kann seit seiner Geburt nicht sehen – trotzdem fährt er Rennstrecken ab.

Freiensteinau - Wenn Ralf Mackel sich auf der Rennstrecke hinters Steuer setzt, ist seine Lebensgefährtin in steter Sorge. „Mir bleibt manchmal fast das Herz stehen. Ich kann dann gar nicht hinschauen“, erzählt die 55-Jährige. Beruhigen kann Birgit Dehren auch nicht, dass ihr Freund sämtliche große Rennstrecken in Deutschland blind kennt. Buchstäblich blind. Mackel kann seit seiner Geburt nicht sehen. Er kann nur Hell von Dunkel unterscheiden. Das hindert ihn aber nicht daran, seiner Leidenschaft nachzujagen: Rennen fahren – egal ob mit dem Auto oder dem Motorrad.

In Fachkreisen hat sich der 44-Jährige aus dem osthessischen Freiensteinau längst einen Namen gemacht: als einziger blinder Rennfahrer weltweit. Mit Gegnern kann sich der motorsportverrückte Vogelsberger jedoch nicht messen. Er darf nur allein auf abgesperrten Strecken fahren. Das macht er jedoch so schnell und so gut, dass er schon unter anderem im Rahmenprogramm der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) aufgetreten ist. Der ehemalige DTM-Fahrer Manuel Reuter schüttelte danach nur ungläubig den Kopf und staunte: „Wenn es einem keiner sagt, fällt es überhaupt nicht auf, dass der Mann blind ist.“ Mittlerweile hat der japanische Motorradhersteller Kawasaki mit Mackel einen Kooperationsvertrag geschlossen. Er arbeitet als Repräsentant und tritt bei Veranstaltungen auf.

Bei einigen Rennställen und Herstellern ist Mackel auch als Tester oder Ratgeber tätig. „Manche Bedienelemente sollte man ja auch blind steuern können“, erklärt Mackel, bei dem sich ein enorm gutes Gehör entwickelt hat. „Ich höre bei einem Motor die kleinsten Fehler, da kommt manchmal selbst ein Ingenieur nicht mit“, sagt der ehemalige Chef einer Autowerkstatt. „Ich kann in Frequenzbereichen hören, die viele nicht wahrnehmen.“ Das außergewöhnliche Gehör ermöglicht ihm auch, sich auf der Rennstrecke zurechtzufinden. Der Widerhall, der von Tribünen, Mauern oder Reifenstapeln zurückgeworfen wird, gibt ihm Orientierung. „Das alles kann ich deutlich hören. Ich weiß dann, wo ich bremsen und einlenken muss.“ Doch ehe er etwa aufs Motorrad steigt, steht dem gelernten Programmierer viel Kopfarbeit bevor. Zuerst folgt er mit dem Finger einer Skizze des Kurses. „Das ergibt ein grobes gedankliches Bild“, erklärt Mackel. Dann fährt er hinter einem Fahrer her und orientiert sich allein an den Geräuschen der voranfahrenden Maschine. Später prägt er sich die Schallinformationen der Strecke ein. Wenn ein Reifenstapel über Nacht umgesetzt wird, merkt er das sofort. Probleme mit der Polizei habe er nur einmal gehabt. „Da hat mich einer angezeigt.“ Kawasaki sagt lapidar zu Mackels Verfehlungen im öffentlichen Straßenverkehr: „Das sind Jugendsünden.“RALF MACKEL] dpa

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