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Müll Neapel

© dpa

''Müll-Tragödie'': Neapel versinkt in stinkendem Unrat

Manche sprechen von neapolitanischer "Guerilla": Die Bürger in der Metropole der Region Kampanien sind es nach 14 Jahren leid und reagieren mit Gewalt und Eigeninitiativen auf die Müllkrise in ihrer Stadt.

Mittlerweile türmen sich allein in Neapel 3700 Tonnen übelriechenden Unrats auf den Straßen, weil seit Wochen keine Abfälle mehr abtransportiert wurden. Ratten und Ungeziefer machen sich breit, Ärzte warnen vor Epidemien. In ihrer Not verbrennen die Menschen den Müll selbst, in vielen Teilen der Stadt hängen dichte Rauchwolken über Wohngebieten. Jetzt hat sich endlich die Regierung in Rom in den Fall eingeschaltet: Ministerpräsident Romano Prodi versprach, sich persönlich des Notstands anzunehmen.

An diesem Montag will er mit seinen Ministern eine Strategie ausarbeiten, um der unzumutbaren Lage in einer der schönsten Mittelmeer-Regionen mit Vesuv und Amalfiküste Herr zu werden. "Wir müssen so viele Anlagen zur Müllentsorgung einrichten, dass der gesamte Bedarf der Region gedeckt werden kann, sonst wird sich die Situation nie normalisieren", erklärte er. Auch Staatspräsident Giorgio Napolitano forderte die Regierung am Sonntag auf, "eine Lösung für diese Abfall-Tragödie zu finden".

Viel zu wenig Deponien

Jedoch ist das Problem komplex. Denn in der Region fehlt es schon seit Jahren an Deponien, so dass Kampanien seinen Abfall teilweise für teures Geld zur Verarbeitung nach Deutschland transportiert. Gleichzeitig wehren sich aber die Bürger gegen jeden Versuch von Lokalpolitikern, in der Umgebung neue Anlagen zu bauen, weil sie um ihre Gesundheit fürchten. Mehrere Schulen in der Umgebung wurden bereits auf unbestimmte Zeit geschlossen.

Bereits in der Nacht zum Freitag hatte es Proteste an der Mülldeponie des Ortsteils Pianura gegeben: Aufgebrachte Demonstranten zündeten vier Busse an, mit denen sie zuvor die Zufahrt zu der 1996 geschlossenen Halde versperrt hatten. Die Anwohner wollen aus Angst vor Gestank und giftigen, dioxinhaltigen Gasen eine Wiedereröffnung um jeden Preis verhindern. Die Deponie soll bis zum kommenden Jahr Abhilfe gegen das Müllproblem schaffen. Geplant ist zudem, bis 2009 eine Müllverbrennungsanlage in Betrieb zu nehmen.

Im Kreuzfeuer der Kritik steht die 1994 eigens gegründete Abfallkommission. Eigentlich sollte sie die Müllkrise bekämpfen, jedoch werden ihr seit Jahren Korruption und Unfähigkeit vorgeworfen. "Man kann ja gar nicht mehr von einem "Notstand" sprechen, denn ein Notstand kann per Definition gar nicht so lange dauern", ärgerte sich jetzt auch EU-Umweltkommissar Stavros Dimas. Brüssel prüft bereits, Maßnahmen auch auf EU-Ebene zu ergreifen. Dann würden Italien im schlimmsten Fall hohe Strafen sowie der Verlust von EU- Finanzierungsgeldern drohen.

Mafia beherrscht illegale Müllentsorgung

Das wohl größte Problem ist jedoch die Camorra: Das Geschäft mit der Müllentsorgung ist nach Ansicht von Experten nach dem Drogenschmuggel die wichtigste Einnahmequelle der neapolitanischen Mafia. "Für uns ist der Müll Gold wert", sagte bereits vor Jahren ein Mafia-Boss. Acht Clans des organisierten Verbrechens verwalten derzeit die illegale Müllentsorgung in der Region, berichtete die Zeitung "La Repubblica" am Sonntag. Und die Camorra hat ein großes Interesse daran, dass alles so bleibt wie es ist.

Auch Ausschreitungen und Proteste spielen der so genannten "Öko-Mafia" in die Hände: Je wütender die Bürger über die Unfähigkeit der zuständigen Politiker sind, desto mehr bereichert sich die Camorra durch illegale Geschäfte.

Carola Frentzen[dpa]

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