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München: Großprozess wegen Internet-Terrorismus

Das Oberlandesgericht München verhandelt gegen acht Mitglieder einer Online-Seite, die Al Qaida unterstützt haben soll. Die "Globale Islamische Medienfront" hat unter anderem die grausamen Propaganda-Videos der Terrororganisation veröffentlicht.

Von Frank Jansen

Die Polizisten und Staatsanwälte, die sich mit dem Fall befassen, haben Mitleid verdient. Die Beamten hätten sich Videos anschauen müssen, auf denen islamistische Terroristen ihre Geiseln enthaupten, heißt es in Sicherheitskreisen. „Diese Bilder, diese Geräusche wie beim Schlachten eines Tieres, das wird man nicht mehr los“, sagt ein Experte. Und Ermittler von Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt werden demnächst wieder mit dem Grauen konfrontiert.

Am Oberlandesgericht München beginnt am Dienstag der Prozess gegen acht Angeklagte im Alter zwischen 18 und 30 Jahren, die im Internet als Mitglieder der „Globalen Islamischen Medienfront (GIMF)“ die Propaganda von Al Qaida, der irakischen Al-Qaida-Filiale sowie der kurdisch-irakischen Terrororganisation Ansar al Islam verbreitet haben sollen. Die Zahl der teilweise erschreckend jungen Beschuldigten ist die bislang höchste in einem deutschen Verfahren zum islamistischen Terror. Und wie nie zuvor wird die rasant wachsende Bedeutung des Internets für die islamistische Terrorszene ausgeleuchtet. Entsprechend umfangreich ist die Anklage. Auf mehr als 460 Seiten sei „ein wahnsinniges Sammelsurium von Einzeltaten“ zusammengetragen worden, sagt ein Sicherheitsexperte.

Die Bundesanwaltschaft wirft den Beschuldigten die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie die Unterstützung von Al Qaida, dem irakischen Ableger „Al Qaida im Zweistromland“ und von Ansar al Islam vor. Vier Angeklagte sollen zudem für Al Qaida um Mitglieder oder Unterstützer geworben haben. Ein Beschuldigter soll auch zweimal versucht haben, ins pakistanisch-afghanische Grenzgebiet zu reisen, um sich in einem Terrorcamp drillen zu lassen. Beim zweiten Versuch habe sich der Angeklagte von einem Al-Qaida-Mitglied, dem Deutschpakistaner Aleem N., ein „Empfehlungsschreiben“ für die Organisation geben lassen. Doch beide Male kam der Angeklagte nicht in Wasiristan an. Und Aleem N. verbüßt inzwischen in Deutschland wegen seiner Aktivitäten als eine Art Pate des Dschihadistenmilieus acht Jahre Haft.

Im Verfahren grenzt die Bundesanwaltschaft die Tatzeit auf die Monate von August 2006 bis März 2008 ein. Damals war die GIMF eine wachsende Größe in der Szene der Online-Dschihadisten. Die 2004 gegründete GIMF, in der Bundesrepublik und im Ausland aktiv, bot sich Al Qaida und anderen Vereinigungen als Propaganda-Plattform an und wurde von Terrorgruppen mit Videos, Audiobotschaften und schriftlichem Material beliefert. Doch die Rolle als Medium genügte bald nicht mehr. Im März 2007 produzierte ein Gründer der GIMF, der Österreicher Mohamed M., selbst ein Video, in dem Deutschland und Österreich mit Anschlägen gedroht wurde, sollten beide Länder nicht ihre Soldaten aus Afghanistan abziehen. M. wurde geschnappt, im März 2008 verurteilte ihn ein Wiener Gericht zu vier Jahren Haft. Im Münchener Verfahren hätten sich sechs Angeklagte geständig eingelassen, sagt ein Experte. Die GIMF führe allerdings, wenn auch nicht mehr so auffällig, den Cyber-Dschihad weiter.

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