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 Auf den richtigen Ton kommt es an. Doch dafür ist noch feinschliff nötig.

© Klaus Becker

Musik: Ein Flügel als Investment

Ein Hamburger Start-up restauriert teure Konzertinstrumente. Dem Käufer der wertvollen Instrumente verspricht die "Klangmanufaktur" stolze vier Prozent Rendite.

Alle „Behandlungszimmer“ sind derzeit belegt. Im riesigen Werkstattbereich stehen allein vier Flügel, die noch nicht wieder vollständig zusammengefügt sind. In Regalen lagern nummerierte Tasten und Hämmerchen, in Schubladenschränken schieben Mitarbeiter ihr Werkzeug zu den angelieferten Patienten. Oliver Greinus, Geschäftsführer der Klangmanufaktur, hat soeben den Resonanzboden eines 25 Jahre alten Steinway-Flügels geschliffen. Es riecht nach frischem Holz. „Bergfichte“, erklärt der gelernte Klavierbauer und legt das Schleifgerät zur Seite.

Gefragte Dienste

Das wertvolle Musikinstrument – etwa 100.000 Euro kostet ein solcher Flügel – ist von einer großen Rundfunkanstalt eingeliefert worden. Von Anfang an habe der Flügel nicht so recht Freude gemacht, hieß es bei der ersten Diagnosestellung. „Kaum Klang, wenig Resonanz und Schwingung. Jeder Ton bleibt irgendwie kurz und dumpf.“ Zuletzt wollte keiner mehr den Flügel bespielen. Schade um das Instrument einer weltweit führenden Marke.

„Wir haben schließlich entdeckt, dass sich eine Leimfuge an der Vorderkante des Resonanzbodens gelöst hat. Wenn das repariert ist, werden die ihren Flügel nicht wiedererkennen“, sagt Greinus glücklich. Auf dem „besonders kräftigen Resonanzboden“ des 25-jährigen Flügels streicht er dabei fast zärtlich abgeschmirgeltes Holz beiseite. Als der 48-Jährige sich vor zwei Jahren mit einem Team ehemaliger Steinway-Kollegen selbstständig gemacht hat, war nicht absehbar, wie gefragt die Dienste der Klangmanufaktur so rasch werden sollten. Ob Generalüberholung oder aufwendige Restaurierung – im Hamburger Stadtteil Hammerbrook werden auf 800 Quadratmetern Fabriketage gerade 27 Steinway-Flügel in den unterschiedlichsten Größen bearbeitet.

Drei bis vier Monate für eine Restaurierung

Der Anspruch der Flügel-Erneuerer: einem jeden Instrument so viel Individualität einhauchen wie möglich. Greinus war Leiter der Konstruktionsabteilung bei Steinway in Hamburg-Bahrenfeld, dort war er insgesamt 16 Jahre lang beschäftigt, ehe er vor knapp zwei Jahren die Klangmanufaktur gegründet hat.

In der kurzen Zeit ihres Unternehmertums haben die Flügelexperten bereits 32 Steinway-Flügel angekauft. Drei bis vier Monate Arbeit werden dann in die Komplett-Restaurierung gesteckt. Möchte schließlich eine Klavierschule oder eine kleine Bühne dauerhaft einen Steinway-Flügel stehen haben, kann der für 140 Euro monatlich von der Klangmanufaktur gemietet werden. Im Werkstattbereich ist Aufräumen angesagt, am Nachmittag soll hier ein Konzert stattfinden. Eilig wird sortiert, beiseitegeschoben und an die Wände gerückt. „Wir haben heute ein Wertanleger-Konzert“, sagt Oliver Greinus. Denn weil ein Steinway niemals billig, dafür aber zeitlos ist, bieten die Gründer ein spezielles Konzept zur Finanzierung.

Kooperation von Künstler und Investor

Kapitalanleger können einen der restaurierten Flügel kaufen, die Manufaktur vermietet das Instrument dann für mindestens zehn Jahre an einen Künstler oder eine Musikschule, und der Investor erhält für die Dauer eine Rendite.

Im Berliner Zeiss-Großplanetarium steht seit diesem Mai ein Flügel, der zuvor in der Klangmanufaktur restauriert wurde. Arno Lücker, Kurator der Reihe „Himmlische Partituren“, durfte in Hamburg sein Instrument persönlich kennenlernen, ehe es komplett zurück- und dann wieder aufgebaut wurde. „Unser Anleger ist ein Privatmann aus Hamburg. Dass wir dank ihm dauerhaft einen Flügel für musikalische Veranstaltungen haben und nicht jede Anlieferung und jeden Abend einzeln bezahlen müssen, ist für unsere Bühne ein Riesenvorteil.“

Am Abend treffen im dritten Stock der Fabriketage von Hammerbrooklyn ein talentierter Pianist und sein Wertanleger aufeinander. Beide haben Familie und Freunde eingeladen. Der Flügel sei toll aufgearbeitet und der Klang fantastisch, aber am schönsten sei es gewesen, den glücklichen Pianisten zu beobachten, sagt der Anleger anschließend. Der junge Mann, der seit seinem vierten Lebensjahr Klavier spielt, wird den Flügel nun zu sich nach Hause geliefert bekommen.

Von Britta Surholt

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