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Rettungskräfte in Nepal tragen einen 18-Jährigen auf einer Bahre, der fünf Tage in den Trümmern überlebt hatte.

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Update

Nach dem Erdbeben in Nepal: Zwei Menschen nach fünf Tagen lebendig aus Trümmern befreit

Die Arbeit der Helfer in Nepal wird durch herumliegende Trümmer und schlechte Infrastruktur und Regengüsse erschwert. Doch die Retter können sich auch über Erfolge freuen. Am Donnerstag konnten noch zwei Menschen leben geborgen werden. Derweil wird in Deutschland kräftig gespendet.

Fünf Tage nach dem schweren Erdbeben im Himalaya haben Helfer einen weiteren Menschen lebend geborgen. Eine Frau wurde am Donnerstag nach stundenlangen Bemühungen aus den Trümmern eines Gebäudes in der Hauptstadt Kathmandu gezogen, wie ein Helfer sagte. Zuvor war bereits ein 18-jähriger Junge gerettet worden, der 120 Stunden unter den Trümmern eines Hauses in Kathmandu gelegen hatte, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Donnerstag. Bis Freitag (Ortszeit) wurden 6155 Tote und etwa 13 400 Verletzte gezählt. Dennoch versuchten die Menschen in der Hauptstadt Kathmandu, langsam wieder in den Alltag zurückzufinden. Die Banken nahmen den Betrieb erstmals seit der Katastrophe vom Samstag wieder auf. Auch einige Läden, Restaurants und Cafés öffneten wieder.

Außerhalb der Hauptstadt aber ist die Arbeit der Rettungskräfte in dem Katastrophengebiet beschwerlich. Heftige Regenfälle erschweren die Arbeit in der bergigen Region. Viele Menschen befürchten Erdrutsche. Auch Trümmer, fehlende Logistik und der schlechte Handy-Empfang bereiteten Probleme, berichtete das UN-Büro für Katastrophenhilfe (Ocha). Trotz der Widrigkeiten erreichten erste Teams entlegene Gebiete und verteilten Hilfsgüter.

Bei dem Beben der Stärke 7,8 am Samstag waren allein in Nepal mindestens 6155 Menschen ums Leben gekommen. In den Nachbarländern Indien und China zusammen starben wenigstens 100 Menschen. Helfer fürchten, dass die Zahl noch deutlich steigt, wenn weitere abgelegene Regionen in Nepal erreicht werden.

Die Rettung des jungen Mannes aus den Trümmern wurde von den Beteiligten ausgelassen gefeiert. Nepalesische Polizisten, die bei der Suche mit einem US-Team zusammenarbeiteten, reckten den Daumen nach oben. Der Teenager ist nach offiziellen Angaben in guter Verfassung. Er habe als Helfer im Hidden Guest House in der Nähe der Busstation Gongabu gearbeitet, als die Katastrophe passierte. Auf Fotos ist zu sehen, dass er eine Stützkrause trägt und eine Fusion in den Arm bekommt. Zunächst hatten die Behörden sein Alter mit 15 angegeben, sich aber später korrigiert. Zu der geretteten Frau gab es vorerst noch keine weiteren Informationen.

Viele Familien in Kathmandu verlassen die Zelte und kehren in ihre Häuser zurück. Die Zahl der Nachbeben nimmt ab, und sie werden schwächer. „Ich denke, es ist jetzt sicher, nach Hause zu gehen“, sagte Dev Limbu, Vater von fünf Kindern. Schulen und Universitäten bleiben nach offiziellen Angaben aber zunächst geschlossen. Die Gerichte aber arbeiten wieder, wenn auch eingeschränkt. Auch Strom ist in Teilen der Stadt wieder verfügbar. Manche Gegenden Nepals könnten nur zu Fuß erreicht werden, seien aber vier bis fünf Tagesmärsche von der nächsten Straße entfernt, erklärte die UN weiter. Es stünden aber zwei Helikopter zur Verfügung, um Nahrungsmittel im Distrikt Gorkha zu verteilen, wo das Epizentrum des Bebens lag.

Keine Spur von deutschen Touristinnen

Die Familien von zwei verschollenen Nepal-Urlauberinnen aus Niedersachsen haben noch keine Nachricht über deren Verbleib. Die 20-jährige Leonie und ihre Freundin Nina wollten zu einer Wanderung ins Langtang-Tal, das vom Erdbeben stark betroffen ist. „Wir gucken immer wieder auf Facebook“, sagte Leonies Mutter, Anja Elsner, am Donnerstag in Lehrte bei Hannover. Auf einer Seite in dem sozialen Netzwerk stehen Namen von geretteten Menschen. Dutzende Deutsche werden nach Angaben des Auswärtigen Amtes nach dem verheerenden Erdbeben am Samstag noch vermisst. Bestätigt ist bislang nur der Tod eines Professors aus Göttingen, der bei einer Exkursion im Himalaya ums Leben gekommen war. Im Langtang-Tal sollen viele Touristen noch in den Bergen festsitzen. Auf der Facebook-Seite sei inzwischen auch eine Telefonnummer eines Armeelagers veröffentlicht, wo Gerettete aus dem Langtang-Tal hinkommen würden, sagte Elsner. Bisher habe sie telefonisch aber noch nichts erreicht.

Hilfsgüter aus der Luft

Die nepalesische Armee begann nach eigenen Angaben, in den besonders schwer betroffenen Gebieten Hilfsgüter aus der Luft abzuwerfen. Insgesamt rund 100 000 Soldaten und Polizisten seien im Einsatz. In China wurde die Stadt Zham aus Angst vor Erdrutschen evakuiert.

Unterstützung für die Menschen in Nepal kommt aus aller Welt - von einfachen Menschen im Nachbarland Indien, die Essenspakete schicken, bis hin zu US-Präsident Barack Obama, der mit Nepals Ministerpräsident Sushil Koirala telefonierte. Auch Fußballstars gehören zu den Unterstützern. Bei der Partie der spanischen Clubs Real Madrid gegen Almería legten die Spieler eine Schweigeminute ein und trugen T-Shirts mit der Aufschrift: „Todos con Nepal“ (Alle für Nepal).

Jüngste Zahlen der Vereinten Nationen machen das ganze Ausmaß der Katastrophe deutlich: Acht Millionen Betroffene, davon brauchen 3,5 Millionen Menschen Nahrungsmittel. 2,8 Millionen Menschen sind den Schätzungen zufolge obdachlos. Derzeit vereilen die Helfer vor allem Planen, Zelte, Decken und Hygiene-Sets. Allerdings mache es ihnen zu schaffen, dass es in den Zeltstädten keine Verwaltung gebe und bislang keine Daten erhoben wurden, was die Menschen dort brauchen. Die UN koordiniert mittlerweile mehr als 1700 spezialisierte Helfer aus mindestens 22 Ländern in Nepal, darunter mindestens 58 Deutsche.

Zahlreiche Bewohner Nepals sind wütend auf die Regierung ihres Landes. Sie glauben, dass nicht genug getan wird, um Lebensmittel und Wasser zu verteilen. Als Premierminister Koirala den Stadtteil Basantapur in Kathmandu besuchte, hätten zahlreiche Überlebende ihn umzingelt und ihrem Zorn Ausdruck verliehen, berichtete die Zeitung „Kantipur“ online. Hunderte Menschen hätten auch vor Regierungsgebäuden demonstriert. Sie forderten demnach, die Regierung solle Busse zur Verfügung stellen, damit sie Kathmandu verlassen und zu Verwandten fahren können.

Trotz des verheerenden Erdbebens will die Regierung Nepals den Mount Everest nicht für Bergsteiger schließen. „Wenn die Kletterer gehen wollen, können sie noch immer gehen“, sagte Gyanendra Shrestha vom Tourismusministerium. Auch am höchsten Berg der Welt waren mindestens 18 Menschen gestorben. Mehrere große Expeditionsteams haben ihre Vorhaben aber abgesagt. Die chinesische Seite des Berges wurden alle Klettertouren wegen der Gefahr von Nachbeben verboten.

Deutsche spenden Millionen für Nepal

Die Hilfsorganisationen in Deutschland verzeichnen eine hohe Spendenbereitschaft. Allein beim Bündnis "Aktion Deutschland hilft" gingen bislang 4,1 Millionen Euro an Spenden ein, wie Sprecherin Birte Steigert am Donnerstag in Bonn der Nachrichtenagentur AFP sagte. Das Bündnis ist ein Zusammenschluss zahlreicher Hilfsorganisationen, darunter die Johanniter, Malteser International, World Vision und der Bundesverband Rettungshunde. Steigert sprach von einer "guten Spendenbereitschaft".

Ähnlich äußerten sich Caritas International, die Diakonie Katastrophenhilfe und Unicef Deutschland, die neben dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) zum "Aktionsbündnis Katastrophenhilfe" gehören. Über Caritas International spendeten die Bundesbürger bislang knapp eine Million Euro. Auch über das Erzbistum Freiburg kam eine Million Euro an Spenden.

Bei der Diakonie Katastrophenhilfe ging nach Angaben einer Sprecherin bislang ebenfalls knapp eine Million Euro an Spenden ein. Unicef Deutschland überwies bereits eine Million Euro aus privaten Spenden nach Nepal. "Es gibt eine große Hilfsbereitschaft mit den Erdbebenopfern", sagte Unicef-Sprecherin Ninja Charbonneau. Angesichts der Schäden und der Zustände in Nepal seien die Menschen dort noch länger auf Hilfe angewiesen. Nach neuester Schätzung von Unicef brauchen allein 1,7 Millionen Kinder in den 21 am schlimmsten vom Erdbeben verwüsteten Distrikten dringend Hilfe. (dpa)

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