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Eine Mutter versucht, ihr Kind vor Infektionskrankheiten zu schützen, während in Tacloban noch die Leichen auf der Straße liegen.

© dpa

Update

Nach dem Taifun "Haiyan": Trotz Hilfsmaßnahmen weiter Millionen Menschen obdachlos

Die Hilfsmaßnahmen in den vom Taifun betroffenen Gebieten laufen an. Doch noch immer sind viele Menschen ohne Wasser und Nahrung. Jetzt breiten sich Infektionen aus, die besonders Kinder gefährden.

Willibald Zeck ist zuversichtlich an diesem Montagnachmittag. So zuversichtlich, wie man eben sein kann, wenn um einen herum eine schreckliche Katastrophe geschehen ist. Zeck leitet das Gesundheitsprogramm des UN-Kinderhilfswerks Unicef auf den Philippinen. Von der Hauptstadt Manila aus koordiniert er derzeit die ersten Hilfseinsätze seiner Kollegen in den von dem Taifun „Haiyan“ am schwersten betroffenen Gebieten des Inselstaats. „Ich gehe davon aus, dass in den nächsten zwölf bis 24 Stunden die meisten Menschen zumindest mit dem Nötigsten versorgt sein werden“, sagt er am Telefon.

Willibald Zeck, Leiter des Gesundheitsprogramms des UN-Kinderhilfswerks Unicef auf den Philippinen.
Willibald Zeck, Leiter des Gesundheitsprogramms des UN-Kinderhilfswerks Unicef auf den Philippinen.

© Unicef

Die Philippinen werden regelmäßig von Taifunen getroffen

Die philippinische Armee sei dabei, Straßen frei zu räumen und zerstörte Flughäfen notdürftig herzurichten. „Die Regierung ist erfahren im Umgang mit solchen Situationen, schließlich wird das Land regelmäßig von Taifunen getroffen.“ Auch Zeck hat bereits im vergangenen Jahr einen schweren Sturm auf den Philippinen erlebt. Das Ausmaß von „Haiyan“ sei allerdings nicht absehbar gewesen. „Auf so etwas kann man sich auch nicht vorbereiten. Selbst in Europa könnten wir das nicht.“

Das Krisenmanagement der Regierung will Zeck nicht kritisieren, obwohl auch drei Tage nach dem Taifun die Menschen im Katastrophengebiet noch immer ohne Nahrung und Wasser sind. Diese Dinge gelte es nun mit Hochdruck auf den Weg zu bringen. „Die ersten Transporte sind inzwischen unterwegs“, sagt Zeck. Auch Mitarbeiter von Unicef seien aufgebrochen, um Hilfsmaßnahmen vorzubereiten. „Angesichts der Zerstörungen werden sie wohl zunächst mit ihrem Schlafsack unter freiem Himmel schlafen müssen.“

Kritische Situation in Tacloban

Besonders geschützt werden die Helfer nicht – obwohl es Berichte gibt, dass die Verzweiflung der Überlebenden mancherorts so groß ist, dass sie mit Gewalt versuchen, an Wasser und Nahrungsmittel zu gelangen. Laut Zeck setzen die Hilfsorganisationen darauf, dass die Sicherheitskräfte die Lage unter Kontrolle haben. Die Regierung habe zudem zusätzliche Kräfte ins Krisengebiet entsandt. Vor allem im besonders zerstörten Tacloban auf der Insel Leyte spitzt sich die Krise offenbar zu. Am Sonntag war ein Lastwagen des Roten Kreuzes nahe der Stadt gestoppt und ausgeraubt worden. Die 220 000-Einwohner-Stadt wurde großteils dem Erdboden gleichgemacht. Inzwischen sind mehr als 500 philippinische Soldaten und Polizisten eingetroffen, um die Gewalt einzudämmen, wie ein Militärsprecher bekannt gab. Überdies seien 500 Pioniere um die Stadt herum im Einsatz, um Trümmer fortzuschaffen.

Etwa vier Millionen Menschen obdachlos

Am Montag erklärte die Regierung Tacloban offiziell zum Notstandsgebiet und verhängte eine nächtliche Ausgangssperre, um weitere Plünderungen zu verhindern. In der Stadt müssten nun schnell Notunterkünfte errichtet werden, Zeltstädte, in denen die Überlebenden mit Wasser, Nahrungsmitteln und Medikamenten versorgt werden könnten, sagt Willibald Zeck. „Es hat die ärmste Region getroffen. Vor allem die Kinder sind extrem gefährdet.“ Viele seien schon vor dem Taifun unterernährt gewesen. „Jetzt sind sie besonders anfällig für Infektionen wie Lungenentzündungen oder Durchfallerkrankungen.“ Vielerorts irrten Kinder noch auf der Suche nach ihren Eltern auf den Straßen herum. Nach UN-Angaben sind insgesamt 9,5 Millionen Menschen von dem Taifun betroffen, das ist etwa jeder zehnte Einwohner der Philippinen. Hilfswerke sprachen von etwa vier Millionen Obdachlosen.

„Haiyan“ gilt schwerster Wirbelsturm seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, wie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung mitteilte. Er erreichte zeitweise Windgeschwindigkeiten von mehr als 300 Kilometern pro Stunde. Auf Samar sieht die Lage deutlich besser aus als auf Leyte. Dort gebe bereits Camps als Anlaufstellen für Überlebende, sagt Willibald Zeck. Camps sind aber nur der erste Schritt der Hilfsmaßnahmen. Danach beginnt der Wiederaufbau. „Allein im Gesundheitswesen fangen wir vielerorts bei null an“, sagt Zeck. Krankenhäuser und Gesundheitsstationen seien völlig zerstört. Doch damit werden sich Zeck und seine Kollegen erst in den kommenden Wochen beschäftigen können.

Schwierige Bedingungen für Hilfsorganisationen

Alle Hilfsorganisationen konzentrieren sich nun zunächst auf Nothilfe. Das Rote Kreuz der Philippinen sondiert derzeit, wie es Hilfsgüter verteilen kann. „Der Flughafen Taclobans auf der Insel Leyte liegt zehn Kilometer von der Stadt entfernt. Um nach Tacloban zu kommen, braucht man derzeit sechs Stunden mit dem Auto“, sagte eine Sprecherin. Im Hafen von Tacloban kam nach Angaben des Roten Kreuzes aber bereits ein Versorgungsschiff mit 140 Tonnen Hilfsgütern an. Das Ernährungsprogramm der UN (WFP) bereitete zudem mit der philippinischen Regierung auf dem Flughafen der Insel Cebu die Einrichtung einer Luftbrücke vor. Mit eingeflogenen Containern, vorgefertigte Büroräumen und Generatoren sollen auf Cebu und in Tacloban operationelle Zentren für die Hilfsgemeinschaft eingerichtet werden. (mit AFP/epd/dpa)

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