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Panorama: Nach Klasse 4 aufs Gymnasium

Wer sein Kind vorzeitig aus der Grundschule nehmen will, muss sich auf einige Neuerungen einstellen

Es ist Zeit, sich warm zu laufen: In diesen Wochen beginnt der große Run auf die Gymnasien, die mit Klasse 5 anfangen. Am Start dürften wieder rund 4000 Viertklässler sein, die um etwa 2200 Plätze wetteifern. Was letztlich zählt, ist: Begabung, Taktik und – Wohnort. Wer in diesen drei Bereichen Schwächen zeigt, lernt bis zur sechsten Klasse in der Grundschulliga weiter.

Viele Familien sind seit Monaten damit beschäftigt, bei erfahrenen Eltern Erkundigungen darüber einzuziehen, wie man sich am ehesten einen der knappen Plätze sichert. Allerdings muss man beachten, dass sich in diesem Jahr etwas Entscheidendes geändert hat: Die Senatsverwaltung für Bildung hat ein farbiges Anmeldeformular konzipiert, das sich nur schwer kopieren lässt. Damit will sie verhindern, dass Familien ihre Kinder an mehreren Gymnasien gleichzeitig anmelden. Stattdessen muss man sich für eine Schule entscheiden, die man als „Nummer 1“ deklariert.

Lediglich ein Zweit- und ein Drittwunsch können angeben werden. Da erfahrungsgemäß alle beliebten Schulen wesentlich mehr Erstwunschkandidaten als Plätze haben, gibt es bei ihnen für Zweit- oder Drittwunschkandidaten überhaupt keine Chance.

Wie aber schafft man es, an der Erstwunschschule unterzukommen? Der einzig sichere Weg ist eine Wohnung direkt neben der Wunschschule, denn die Erreichbarkeit der Schule vom Wohnort aus kann den Ausschlag geben, wenn das Bezirksamt die knappen Plätze zuteilt. Es ist deshalb zu erwarten, dass sich manche Familien mit „Deckadressen“ bessere Startchancen erschummeln werden.

Der Wohnort ist deshalb von so großer Bedeutung, weil es – neben dem Gutachten der Grundschule – kaum andere gerichtsfeste Kriterien gibt, nach denen die Plätze vergeben werden können. Die relativ willkürliche Entscheidung qua Wohnort gilt allerdings nicht für alle grundständigen Klassen, sondern in erster Linie für die altsprachlichen Gymnasien.

Ganz anders sieht es ab diesem Jahr mit den so genannten Schnellläuferzügen aus: Hier kommt man nur mittels Eignungstest hinein. Denn diese Klassen führen in nur elf Jahren zum Abitur und sind entsprechend anspruchsvoll. Die Senatsverwaltung für Bildung hat deshalb einen etablierten Intelligenztest eingekauft. An diesem Test müssen alle Anwärter zeitgleich am 19. Februar teilnehmen.

Die Verteilung der Plätze wird dennoch nicht einfach sein. Denn erfahrungsgemäß ist die Nachfrage an den Schnellläuferschulen extrem unterschiedlich. In einigen Bezirken gibt es zu wenig Bewerber, in anderen viel mehr als nötig. Eine Art Ausgleichskonferenz soll dieses Dilemma mildern. Ganz beheben lässt es sich nicht, denn die Bildungsverwaltung hat bei der Zuteilung der Kapazitäten nicht genügend berücksichtigt, dass es in den bürgerlichen Bezirken eine größere Nachfrage nach diesen Eliteklassen gibt.

Mitunter wird auf Nachfrage aber reagiert. So hat Bildungssenator Klaus Böger (SPD) dem Wunsch entsprochen, erstmals an zwei Schulen für mathematisch-naturwissenschaftlich Begabte neue fünfte Klassen einzurichten: Das profilierte Heinrich-Hertz-Gymnasium in Friedrichshain und das ebenfalls seit langem in diesem Bereich engagierte Charlottenburger Herder-Gymnasium wollen sich ab dem Sommer darum kümmern, dass diese Begabungen frühzeitig stärker gefördert werden.

Auch bei den „Lateinern“ hat Böger etwas nachgeben: Als Ersatz für die abgeschafften altsprachlichen Grundschulklassen hat er eine zusätzliche Lateinklasse am Zehlendorfer Schadow-Gymnasium zugelassen. Dies bedeutet, dass sich die hier erfahrungsgemäß 150 angemeldeten Kinder nicht mehr um 30, sondern immerhin um 60 Plätze schlagen dürfen.

Nicht wenige Schulen würden gern noch weitere fünfte Klassen mit Latein aufmachen. Die Frage ist, ob man ihnen das langfristig verwehren kann. Denn im neuen Schulgesetz wurden die altsprachlichen Züge, die mit Klasse 5 beginnen, zur Regelform aufgewertet. Bis dahin hatten sie eine Art Ausnahmestatus. Die Schulverwaltung hat längst gemerkt, dass hier ein Schlupfloch geschaffen wurde, und fürchtet nun, dass die sechsjährige Grundschule noch mehr Schüler an die grundständigen Oberschulen verliert. Deshalb versucht sie, dieses Schlupfloch gleich wieder zu schließen: Ab sofort dürfen neue fünfte Lateinklassen nur noch dann aufgemacht werden, wenn als dritte Fremdsprache Altgriechisch verpflichtend hinzukommt.

Diese „Abschreckung“ wirkt nicht immer: Die Marienfelder Gustav-Heinemann-Gesamtschule ist entschlossen, die Kröte „Altgriechisch“ zu schlucken, wenn man ihr nur endlich den Beginn ab Klasse 5 genehmigt. Sie wäre damit nach der Staatlichen Internationalen Schule die erste Gesamtschule Berlins, die eine fünfte Klasse aufmacht. In diesen Tagen soll über das Ansinnen der Heinemann-Schule entschieden werden. Auch das Zehlendorfer Arndt-Gymnasium hat einen entsprechenden Antrag gestellt.

Aber selbst wenn die beiden Schulen die Erlaubnis bekommen, bleiben die Kapazitäten knapp. Und an den privaten Gymnasien sieht es nicht besser aus: Sie sind teilweise noch überlaufener als die öffentlichen Schulen. Im jesuitischen Canisius-Kolleg in Tiergarten wurde laut Schulleiter Pater Mertes sogar ein neuer Anmelderekord aufgestellt: Über 350 Schüler bewerben sich um 120 Plätze. Die Anwärter müssen im Februar einen Test in Mathematik absolvieren und einen kleinen Aufsatz schreiben, um ihr Können unter Beweis zu stellen. Eine „Deckadresse“ hilft hier nicht weiter.

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