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Der Kölner Karneval ist eine Zeit des Frohsinns. Die Übergriffe der Silvesternacht könnten den Markenkern beschädigen.

© dpa/picture alliance

Nach Übergriffen in der Silvesternacht: Festkomitee Kölner Karneval bringt Flyer für Flüchtlinge raus

Der Kölner Karneval ist eine Zeit des Frohsinns, der Lust, der Unbeschwertheit. Die Silvester-Übergriffe und die Terrorgefahr könnten jetzt den Straßenkarneval bedrohen. Das Festkomitee versucht gegenzulenken.

Es ist einer der Höhepunkte während der Kölner Karnevalszeit: die Enthüllung der Rosenmontagswagen. Feierlich werden sie jedes Jahr vom Festkomitee Kölner Karneval von 1823 – einer Kölner Vertretung der Jecken – vorgestellt. Natürlich im Kölner Karnevalsmuseum. Die Macher der wichtigsten Prunkwagen haben sich dieses Jahre besonders auf die Kanzlerin gestürzt. Gleich mehrmals ist Angela Merkel zu sehen, mal mit schlaffer Europa-Flagge, mal beim Knacken von harten Nüssen in der derzeitigen Flüchtlingskrise.

Es ist das traditionelle Muster: Seit jeher geht es gegen die Großen in der Politik, der Wirtschaft, der Kultur oder gegen ebenjene, die Unrecht getan haben. Dabei reizen die Macher der Wagen den Rahmen der „Veräppelung“, wie man im Rheinland sagt, gerne auch mal bis an die Grenzen aus. Und manchmal schießt man übers Ziel hinaus. So wie vergangenes Jahr, als ein Karnevalwagen zu den Anschlägen auf „Charlie Hebdo“ gestoppt wurde. Der Grund: Das Festkomitee fand die Botschaft zwar richtig, doch politisch zu heikel und ernst.

Der Markenkern des Karnevals ist in Gefahr

In Köln geht es eben nicht primär um Satire, sondern um die Stimmung, ums gemeinsame Feiern. Alles andere kommt dann eben dazu. Aber eigentlich geht es darum, die ganze Welt ins „Kölsche Hätz“ einzuschließen – das viel besungene große Herz der Kölner. Genau deshalb sind die Übergriffe der Silvesternacht für den Karneval so gefährlich.

Sollte sich nämlich der Eindruck verfestigen, dass man in Köln nicht mehr unbeschwert und sorgenfrei feiern kann, dass junge Mädchen bald lieber eine Armlänge Abstand halten und dass das Schunkeln auf dem Heumarkt, in der Altstadt, in den Kneipen und Festsälen dieser Stadt einfach nicht mehr funktioniert, dann hat ein Köln ein Problem. Und zwar ein gewaltiges.

Ein Entwurf des Festkomitees Kölner Karneval für einen Rosenmontagswagen zeigt Angela Merkel, wie sie die harten Nüsse der Flüchtlingskrise knackt.
Ein Entwurf des Festkomitees Kölner Karneval für einen Rosenmontagswagen zeigt Angela Merkel, wie sie die harten Nüsse der Flüchtlingskrise knackt.

© dpa

Denn dann wäre der Markenkern des Kölner Karnevals beschädigt, dann wäre die fünfte Jahreszeit, wie die Kölner die Zeit zwischen dem 11.11. und Aschermittwoch nennen, keine Zeit des Frohsinns mehr, sondern der Angst. Das hat auch das Festkomitee mitbekommen. „Die Ereignisse der letzten Wochen haben schon dafür gesorgt, dass wir eine andere Wahrnehmung haben“, erklärt Zugleiter Christoph Kuckelkorn am Freitag bei der Vorstellung im Karnevalsmuseum. Man will deshalb 100 zusätzliche Kontaktpunkte im Funknetz an der Route des Rosenmontagszugs einrichten, sodass im Ernstfall die Einsatzzentrale zuverlässiger erreicht werden kann.

Ein Flyer für das Verhalten an Karneval

Doch man will auch nicht immer vom Schlimmsten ausgehen. Viele Vorfälle beruhten nun einmal auf Missverständnissen, weil Leute von außerhalb, seien es nun Flüchtlinge oder auch Besucher aus anderen Städten Deutschlands, die Gepflogenheiten des Karnevals nicht kennen. So wie zum Beispiel das „Bützje“, ein Wangenkuss mit geschlossenen Lippen, der zum Kölner Karneval gehört wie das Kölsch an der Theke, das Anstoßen um 11.11 Uhr und das Schmeißen von Kamelle auf dem Rosenmontagszug. Doch wenn man aus Syrien oder auch nur aus Castrop-Rauxel kommt, kann man schon mal durcheinanderkommen, wenn man plötzlich gebützt wird.

Deshalb hat das Festkomitee jetzt für Flüchtlinge und andere Neu-Kölner einen Flyer herausgebracht, der ihnen den Karneval erklärt – auf Deutsch, Englisch und Arabisch. Das Bützen wird darin übrigens nicht erklärt, dafür aber viel anderes: „Wundere Dich nicht, wenn Du schon ab Anfang Januar Kölner in bunten Kostümen siehst“, heißt es darin zum Beispiel.

Auf die Frage „Darf ich einfach so mitfeiern?“ bekommt man dort zum Beispiel die Antwort: „Auf jeden Fall! Die Kölner sind ziemlich offen und neugierig Fremden gegenüber. Der Umgang ist sehr locker, Freundlichkeit und Respekt sind oberstes Gebot.“ Und das stimmt auch. Im Kölschen Liederrepertoire gibt es nicht umsonst ein Stück der Black Fööß, in dem es heißt „Drink doch ene met, stell dich nit esu aan“ („Trink doch einen mit, stell dich nicht so an“). Die Kölner meinen das wörtlich.

Die Kölner lassen sich den Spaß nicht verderben

An Karneval gibt es für die meisten keine Rivalitäten, keine Kriege, keine Sorgen. Für die Jecken ist es die Zeit, um zusammenzukommen, das Leben zu genießen, sorgenfrei. Und doch schwebt bei einem solchen Großereignis mit mehr als einer Million Besuchern jährlich auch immer eine noch neue Gefahr mit, die des Terrors. Wird das die Kölner also davon abhalten Karneval zu feiern? Wohl kaum. Die meisten Jecken werden sich Anfang Februar den Spaß nicht verderben lassen. Und auch bei der Präsentation der Wagen heißt es auf die Frage, unter welchen Umständen der Rosenmontagszug abgesagt werden müsse: „Bei Schnee und Eis.“

Im Kölschen Grundgesetz heißt es schließlich nicht umsonst: „Et hätt noch immer jot jejange“, also: „Es ist noch immer gut gegangen.“ (mit dpa)

Nils Wischmeyer

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