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Screenshot des kleinen Mädchens mit Untertitel

© tsp

Nada aus dem Jemen: Video gegen Zwangsehen: Zu klug, um wahr zu sein

Die elfjährige Jemenitin Nada al Ahdal spricht in einem Youtube-Video über ihre geplante Zwangsheirat und bewegt Millionen. Aber ist das echt - oder ein gestelltes Propagandavideo?

„Da wäre ich tot besser dran“, sagt die elfjährige Nada al Ahdal in die Kamera. „Mach nur, verheirate mich. Ich werde mich umbringen.“ Das Youtube-Video des Mädchens hat in den vergangenen Tagen viel Aufsehen erregt. Auf dem Rücksitz eines Autos sitzend, erzählt Nada von ihrer geplanten Zwangsheirat. Sie sei zu ihrem Onkel geflohen, sagt sie; ihre Familie habe gedroht, sie umzubringen, wenn sie sich nicht füge.

Sieben Millionen Youtube-Klicks

„Ich bin nicht die Einzige, es gibt viele solche Fälle“, sagt Nada und erzählt von ihrer Tante, die mit 14 Jahren verheiratet worden sei. Deren Mann habe sie geschlagen, nach einem Jahr habe sie sich mit Benzin übergossen und verbrannt. Fast sieben Millionen Klicks hatte allein die erste Version des Youtube-Videos bis Mittwochabend. Medien von der „Washington Post“ bis zur englischsprachigen Version von „al-Jazeera“ berichteten.

Aber ist das Video echt? Oder ist es gestellt, vielleicht eine Marketingaktion einer NGO gegen Zwangsheirat? Die Aktion wäre jedenfalls geglückt: Viele Medien nahmen das Video zum Anlass, über Zwangsehen zu berichten.

Manche Medien zweifeln an der Echtheit des Videos

Die Übersetzung des Videos ist korrekt, aber würde eine Elfjährige Formulierungen wie „unschuldige Kinder“ verwenden? Und in welcher realen Situation würde ein Mädchen auf der Rückbank eines Autos die Geschichte ihrer Zwangsheirat in die Kamera erzählen?

Manche Medien gaben Nadas Geschichte unhinterfragt wider, andere meldeten Zweifel an. Online gestellt hat das Video das amerikanische „Middle East Media Research Institute“, das englische Übersetzungen arabischer und persischer Medienberichte veröffentlicht. Es ist nicht unbekannt, steht aber immer wieder in der Kritik: Es wähle für die Übersetzungen Material mit besonders extremen Meinungen aus, um Stimmung gegen die arabische Welt zu machen.

Seit Wochen kursiert das Video eines klugen ägyptischen Jungens

Gibt man „Nada al Ahdal“ bei Google ein, bekommt man fast drei Millionen Ergebnisse. Tippt man den Namen jedoch in arabischer Schrift ein, findet man vor allem die Facebook-Seiten anderer Menschen mit dem gleichen Nachnamen. Das deutet darauf hin, dass das Video für die westliche Welt produziert wurde.

Nadas Clip erinnert an ein anderes Video, das seit Wochen im Netz kursiert: Ein zwölfjähriger Ägypter erklärt darin die politische Situation in Ägypten, spricht von einer „faschistischen Theokratie“ und verurteilt Gewalt gegen Frauen. Auch hier zogen viele Zuschauer die Authentizität des Videos in Zweifel.

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Mit Sicherheit lässt sich selten klären, ob ein virales Video echt ist. Immer wieder erweist sich ein „zufällig mitgefilmtes“, „reales“ Geschehen als für die Kamera gestellt. Oft hat das kommerzielle Hintergründe, manchmal politische.

Kampagnen mit gestellten Videos sind riskant

Kann das „Fälschen“ eines Videos legitim sein, wenn es zu einem guten Zweck geschieht? Und könnte eine Kampagne, die auf einer Fälschung beruht, funktionieren? „Das Internet bestraft Unauthentizität auf lange Sicht“, sagt der Politikwissenschaftler und Social-Media-Experte Yussi Pick: Fliege die Fälschung auf, sei man zwar immer noch auf der öffentlichen Agenda – aber auf eine ganz andere Weise als gewünscht.

Es gebe Indizien für die Echtheit eines Videos, sagt Pick: Wo ist es erschienen? Werden Zweifel im Netz geäußert? „Die Schwarmintelligenz ist oft ein gutes Korrektiv“, sagt Pick.

Auch für seriöse Medien ist die Überprüfung schwer

Immer wieder fallen aber auch seriöse Medien auf Fälschungen herein: Im Jahr 2000 berichteten internationale Medien über den zwölfjährigen Palästinenser Muhammad al Durrah, der vom israelischen Militär erschossen worden sei. Später kamen Zweifel auf: Die Kugeln könnten von Palästinensern abgefeuert worden sein, oder der Vorfall könnte gestellt gewesen sein.

In Zeiten von Social Media und viralem Marketing ist es noch leichter geworden, berührende Clips an die Öffentlichkeit zu bringen – und noch schwieriger, ihre Echtheit zu überprüfen. Das zeigt sich oft bei Videos aus Kriegsgebieten wie Syrien oder dem Irak, wo es kaum professionelle Journalisten gibt und die Medien auf Material von Amateurfilmern angewiesen sind.

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