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Panorama: Nächtlicher Brand auf der Ostsee

STOCKHOLM . An den Folgen des Brandes auf der Ostseefähre "Prinsesse Ragnhild" ist eine 70jährige Norwegerin in einem Krankenhaus in Göteborg gestorben.

STOCKHOLM . An den Folgen des Brandes auf der Ostseefähre "Prinsesse Ragnhild" ist eine 70jährige Norwegerin in einem Krankenhaus in Göteborg gestorben. Die anderen rund 1300 Menschen, die sich in der Nacht zum Donnerstag an Bord des Schiffes befanden, sind mit dem Schrecken davon gekommen.Das Schiff der norwegischen Color Line befand sich auf der Fahrt von Kiel nach Oslo kurz vor Göteborg, als gegen zwei Uhr ein Feuer im Maschinenraum ausbrach. Der Brand breitete sich aus, wenig später heulten die Alarmsirenen. Die Passagiere, darunter 400 Deutsche, eilten zu den angewiesenen Sammelpunkten, wo Besatzungsmitglieder Schwimmwesten austeilten und Rettungsboote oder -flöße anwiesen.Vom Notruf der "Prinsesse Ragnhild" herbeigerufen, befanden sich wenig später eine ganze Reihe anderer Schiffe, darunter auch zwei Passagierfähren, am Unglücksort. Mit den Rettungsbooten und schwedischen, dänischen und norwegischen Hubschraubern konnten die meisten Passagiere innerhalb einiger Stunden auf die anderen Schiffe übergesetzt werden, danach wurden sie nach Göteborg gebracht. Einige LKW-Fahrer sowie die Besatzung blieben an Bord der Fähre, auf der der Brand gegen 5 Uhr mit Bordmitteln unter Kontrolle gebracht war.Die 1981 auf der Kieler HDW-Werft gebaute "Prinsesse Ragnhild" wurde am Mittag in den Göteborger Hafen geschleppt. Die Passagiere konnten ihr Gepäck am Nachmittag von Bord holen. Einige setzten nach Angaben der Polizei noch am gleichen Tag in Bussen die Reise nach Norwegen fort, andere wollten in Göteborg übernachten.Das schwer beschädigte Schiff wurde zu einer Werft in Göteborg geschleppt.Unterdessen räumte der Direktor der Color Line, Trond Kleivdal, auf einer Pressekonferenz in Oslo ein, daß die "Prinsesse Ragnhild" bereits vor einem Monat Maschinenprobleme hatte. Das habe aber nichts mit dem nächtlichen Brand im Maschinenraum zu tun. Die Ursache für das Feuer konnte er noch nicht nennen. Die 1981 in Kiel gebaute "Prinsesse Ragnhild" verfügt über 600 Kabinen, Restaurants, ein Unterhaltungszentrum und Tagungsräume und kann 770 Autos befördern. Die "Prinzessin" ist die größte norwegische Fähre.Die Fährlinie rechnet mit einer offiziellen Untersuchung. Ein Feuer im Maschinenraum eines Schiffes wie auf der Fähre "Prinsesse Ragnhild" stellt nach Expertenmeinung immer eine große Gefahr dar. "Fällt der Maschinenraum aus, können auch die Manövrierfähigkeit und andere wichtige Betriebsabschnitte des Schiffes betroffen sein", sagte Jens Schreiter, Schiffssicherheitsexperte beim Germanischen Lloyd in Hamburg.Der Notruf der "Prinsesse Ragnhild" hatte Erinnerungen an die schweren Schiffsunglücke der letzten Jahre in der Ostsee wach gerufen. Im Jahre 1990 waren bei einem Brand auf der norwegischen Fähre "Scandinavian Star" auf der Fahrt von Oslo nach Frederikshavn in Norddänemark 158 Menschen ums Leben gekommen. Im Januar 1993 kenterte die polnische Autofähre "Jan Heweliusz" vor Rügen, 54 Todesopfer waren zu beklagen.Im September 1994 ereignete sich das größte zivile Schiffsunglück der Nachkriegszeit, als der Untergang der estnischen Fähre "Estonia" in der Finnischen Bucht fast 900 Menschenleben kostete. Das offensichtlich schlecht gewartete Schiff war im Sturm zu schnell gefahren, so daß die Wellenbrecher die - nicht vorschriftsgemäß konstruierte - Bugklappe abrissen, worauf das eindringende Wasser die Fähre zum Kentern brachte. Danach gab es schwere Vorwürfe wegen Fehlleistungen der Besatzung und der Aufsichtsbehörden.Inzwischen sind weit schärfere Sicherheitsbestimmungen für Passagierfähren erlassen, und die Zusammenarbeit der Rettungsorganisationen ist verbessert worden. Die Fährlinien in Skandinavien haben nach Aussage des Allgemeinen Deutschen Automobilclubs (ADAC) in München einen relativ hohen Sicherheitsstandard. Die Reedereien hätten nach dem Estonia-Unglück ein stärkeres Sicherheitsbewußtsein entwickelt und sich im Stockholmer Abkommen von 1996 strengere Auflagen gegeben, sagte der Fährenexperte des ADAC, Robert Sauter, am Donnerstag. Im letzten Fähren-Test des ADAC hätten die skandinavischen Linien gut abgeschnitten, sagte Sauter. Ein Brand im Maschinenraum wie auf der "Prinsesse Ragnhild" ist nach Sauters Ansicht immer möglich - auch auf den modernsten Fähren. "Wichtig ist, daß die Brandbekämpfungsmechanismen dann einwandfrei funktionieren. Das scheint in diesem Fall nach dem derzeitigen Kenntnisstand so gewesen zu sein."Die Fährlinie hebt hervor, daß die "Prinsesse Ragnhild" allen Sicherheitsbestimmungen entsprach, und daß die Rettung ordnungsgemäß und ohne Panik ablief. Dies bestätigen auch die Passagiere. Sie kritisieren allerdings, daß der Alarm erst kam, nachdem sie selbst schon von dem in die Kabinen eindringenden Rauch wach geworden waren.

JÖRGEN DETLEFSEN

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