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Volksnah war schon sein Vater – nun will Japans neuer Kaiser Naruhito diese Tradition fortführen.

© Kim Kyung-Hoon/REUTERS

Neuer Kaiser Naruhito: Japan hat einen modernen Monarchen

Der 59 Jahre alte Naruhito ist Repräsentant eines offeneren Hofes. Wird er neue Akzente setzen? Eine Schlüsselrolle kommt seiner Frau zu.

Stets ein sanftes Lächeln auf den Lippen, freundliche Blicke, die Statur etwas untersetzt, die Haltung aber stets würdevoll und selbstbeherrscht – so kennen die Japaner ihren neuen Kaiser Naruhito. Wer einmal die Gelegenheit hatte, sich mit dem 59-Jährigen zu unterhalten, erfährt ihn als einen freundlichen, gebildeten und interessierten Mann, der Anteil am Schicksal anderer Menschen nimmt.

Wie sein Vater Akihito. Während seiner 30-jährigen Regentschaft habe sein Vater „zu allen Zeiten die Freuden und Trauer der Menschen geteilt“, sagt der neue Monarch in seiner ersten Rede. Er werde immer an der Seite seines Volkes stehen. Für Japaner ist der Wechsel auf dem Thron eine Zeitenwende. „Es fühlt sich wie ein frischer Start an. Ich hoffe, es wird eine gute Ära“, sagt eine Krankenschwester, die wie viele andere Menschen an diesem Tag zum Palast gekommen ist.

Sie hoffe, dass Naruhito so wie sein Vater die Tradition respektieren werde, sich zugleich aber auch „viele Gedanken darüber macht, was es bedeutet, der Kaiser in einem modernen Zeitalter zu sein“, sagt eine 40-jährige Japanerin zu Journalisten.

Naruhito will den volksnahen Stil seines Vaters fortführen. Auch dürfte er wie Akihito die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg wachhalten und die pazifistische Nachkriegsverfassung verteidigen, als deren Verfechter sich sein Vater erwies. Doch als nach dem Weltkrieg Geborener dürfte seine Regentschaft nach Meinung von Palastbeobachtern nicht mehr so sehr unter dem Eindruck des Krieges stehen wie die Ära seines Vaters, der stark von dem Grauen geprägt war: Als Kind wurde Akihito vor den Bomben in Sicherheit gebracht.

Traditionell und modern

Naruhito ist nach Meinung von Palastbeobachtern in Tokio zwar einerseits traditionsgebunden, dürfte aber seine eigenen Akzente setzen und für eine weitere Modernisierung des Hofes sorgen. „Jeder Kaiser ist anders“, sagt Tenno-Experte Ernst Lokowandt. Naruhito ist der erste Kaiser, der nicht von einer Amme gestillt wurde. Während sein Vater noch wie üblich von anderen Menschen aufgezogen wurde, wurde Naruhito von seinen eigenen Eltern erzogen. Auch ist er der erste Kaiser Japans, der im Ausland studierte. Naruhito ist also Repräsentant eines moderneren, offeneren Hofes.

Er besuchte die frühere Adeligenschule Gakushuin und schloss sein Studium der Geschichte an der Gakushuin-Universität mit einem Bachelor ab. Anschließend ging er nach England und studierte an der Universität Oxford. Zwei Jahre lebte Naruhito, der fließend Englisch spricht, in einem Studentenwohnheim. Seine Abschlussarbeit hatte das Transportwesen auf der Themse zum Thema. Seit jungen Jahren fühlt sich Naruhito auch der deutschen Kultur durch die Literatur und Kultur verbunden. Der neue Kaiser spielt die Bratsche.

Der begeisterte Wanderer, Jogger und Skiläufer heiratete die damalige Karrierebeamtin im Außenministerium und Absolventin der Universitäten Harvard und Oxford, Masako Owada. Von der neuen Kaiserin hängt nach Meinung des Kaiserhaus-Experten Takeshi Hara entscheidend ab, wie sich die Regentschaft Naruhitos entwickeln wird. Seit 15 Jahren erholt sich die inzwischen 55 Jahre alte Masako offiziell von einer „Anpassungsstörung“, die vom Stress ihres Amtes am Hofe herrühre. Beobachter sehen dahinter vor allem den lange Zeit auf ihr lastenden Druck, einen männlichen Thronfolger zu gebären. Masako brachte Tochter Aiko zur Welt, doch Frauen ist der Thron bislang verwehrt.

Nähe zum Volk

Falls sie Schwierigkeiten habe, sich weiter von ihrer Krankheit zu erholen, könnte sie einerseits den Menschen, die unter Stress oder Behinderungen leiden, Kräfte verleihen, meint Experte Hara. Andererseits könnten dann Kaiser und Kaiserin nicht vieles zusammen unternehmen. Doch dies ist nach Meinung von Palastbeobachtern entscheidend, um die vom vorherigen Kaiserpaar vorgelebte Nähe zum Volk aufrechtzuerhalten. Als Masako noch Kronprinzessin war, vermissten Kritiker bei ihr den „Geist der Selbstlosigkeit“, den ihre Schwiegermutter Michiko an der Seite Akihitos fürs Volk aufbrachte.

Sollte sich Kaiserin Masako indes weiter erholen, hätte sie das Potenzial, ein ganz anderes Bild des Kaiserhauses darzustellen als ihre Schwiegermutter, die eher das traditionelle Bild einer Japanerin verkörperte, so Kaiserhausexperte Hara: Masako könnte sich mit ihren Erfahrungen auf dem diplomatischen Parkett engagieren und ein versierter Partner ihres Mannes werden. So wie es ihr beim Eintritt ins Kaiserhaus einst versprochen worden war. Dies könne der Außenpolitik Japans mehr Gewicht verleihen, meint Experte Lokowandt.

Doch eine stärkere Zuwendung zu globalen Themen könne auch zu Kritik bei Konservativen führen, dass der neue Kaiser sich mehr um die „Außenwelt“ kümmere als um das eigene Volk, gibt Kaiserhaus-Experte Hideya Kawanishi von der Universität Nagoya zu bedenken. Es werde für den neuen Kaiser Naruhito schwierig werden, „zwischen Tradition und seinen eigenen Ideen und Wünschen zu balancieren.“ (Lars Nicolaysen, dpa)

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