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Im Reich der Mitte erfreut sich das Grünzeug großer Beliebtheit. Und in Japan gibt es bereits viele Nachahmer.

© Kim Kyung-Hoon/Reuters

Neuer Modetrend in China: Keime auf dem Kopf

Kopfschmuck der besonderen Art: In China tragen Frauen wie Männer Sprossen als Mode-Accessoire - und präsentieren sich damit auch in den sozialen Netzwerken.

In Pekings Ausgehviertel Nanluoguxiang aber auch in dem Künstlerviertel 798 sprießen überall Pflanzenkeime auf den Köpfen von Chinesen. Besonders beliebt ist dabei die Variante Bohnenkeim. Befestigt werden die Plastikpflanzen mit Haarsteckern und sprießen dann antennenartig auf den Häuptern der Träger.

Das sieht ulkig und irgendwie außerirdisch aus. Junge Mädchen und Kinder, aber auch erwachsene Männer und Frauen tragen diesen Kopfschmuck der besonderen Art. Und nicht nur Pflanzenkeime, sondern auch Blumen, Früchte oder sogar Pilze werden ins Haar gesteckt. Für fünf Yuan (umgerechnet etwas 70 Cent) bieten Straßenverkäufer die Plastikgebilde an.
Angefangen hat dieser neue Outfittrend diesmal nicht etwa wie so oft in Japan oder Korea. Die Sprossenmode kommt diesmal aus dem Reich der Mitte.

Wo genau im Land der 1,3 Milliarden Menschen, das weiß keiner mit Bestimmtheit zu sagen. In der südchinesischen Stadt Chengdu, der 14 Millionen-Hauptstadt der Provinz Sichuan, soll der neue Trend erst Ende August begonnen haben. Mittlerweile sprießen nicht nur dort, sondern auch in Peking die Keime aus den Haarwurzeln. Die Modewelle hat aber nicht nur China im Sturm erobert, auch im benachbarten Japan wird der Haarschmuck nun kopiert. US-Medien haben es ebenfalls schon darüber berichtet.

Im alten China steckten Bauern Grashalme auf Waren, die zum Verkauf standen. Menschen, die so arm waren, dass sie ihre Dienste als Sklavenarbeiter anbieten mussten, kennzeichneten das durch Graskränze auf ihrem Haupt. Die derzeitige Sprossenmode allerdings hat keine besondere Bedeutung mehr. „Ich finde das lustig“, sagt der 45-Jährige Herr Huang auf die Frage warum er sich ein Grashalm auf den Kopf gesteckt hat.

Keine Frauendomäne, auch Männer tragen heute Keime.
Keine Frauendomäne, auch Männer tragen heute Keime.

© Kim Kyung-Hoon/Reuters

Wie er sind die meisten Chinesen am Wochenende unterwegs, um sich von einer Sechs-Tage-Woche zu entspannen und ihre kurze Freizeit zu genießen. „Ist doch süß“, sagt die 21-Jährige Chen Jing. Die Studentin möchte wie viele junge Frauen in Asien vor allem niedlich aussehen, die Plastik-Haarklammern sind dafür wie geschaffen. Man zieht die Blicke der Leute auf sich und muss sich dafür weder teure Accessoires kaufen noch Tattoos stechen lassen, die nächste Woche vielleicht schon wieder out sind. Dies befürchtet Luo Xianyu.

Er ist Manager eines Onlinehandels und hat im vergangenen Monat mehr als vier Millionen Plastikhaarstecker jeglicher Art bestellt. Nun versucht er, sein Lager noch vor dem 1. Oktober zu leeren. Er glaubt nämlich, dass dann zum chinesischen Nationalfeiertag die Nachfrage stark nachlassen wird. Derzeit macht er vor allem bei kleineren Bestellungen ein gutes Geschäft. „Wenn ich eine Order von 200.000 Haarsteckern habe, bringt mir das 20.000 Yuan (umgerechnet 2785 Euro) Gewinn“, sagt Luo.

In Chinas sozialen Netzwerken sind derzeit nicht nur eine Menge Selfies von Stars und Sternchen mit dem Haarschmuck zu sehen. Millionen von Weixin-Nutzern (die chinesische Version des kostenlosen Nachrichtendienstes WeChat) präsentieren sich ebenfalls seit Wochen mit den Pflanzenkeimen im Haar. Immer häufiger werden die Bilder allerdings nicht mit „süß“ oder „oh wie niedlich“ kommentiert, sondern der neue Trend wird als „lächerlich“, „peinlich“ oder „total nervig“ bezeichnet.

Ob das Grünzeug auf den Köpfen nun niedlich oder nervig ist, stört die Regierenden in Peking nicht. Immerhin hat die Zensurbehörde keinen Zusammenhang zwischen dem neuen Trend und einer von der Bevölkerung ausgehenden „Grass Roots Bewegung“ etwa für mehr Umweltbewusstsein ausgemacht.

Ning Wang

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