zum Hauptinhalt
Entsetzen in Christchurch: Bei einem Erdbeben der Stärke 6,3 hat es am 22. Februar zahlreiche Todesopfer gegeben.

© Reuters

Neuseeland: Christchurch liegt nach Erdbeben in Trümmern

Die neuseeländische Stadt Christchurch ist zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate von einem Erdbeben erschüttert worden. Mindestens 75 Menschen sind tot.

Aus dem Pyne-Gould-Guinness-Gebäude sind Schreie zu hören. Dort, wo bis 12 Uhr 51 das mehrstöckige Bürogebäude in der Innenstadt von Christchurch stand, liegt nur noch ein silbergrauer Haufen aus verbogenen Streben, zerbrochenen Bauplatten, Eisenträgern und gesplittertem Glas. Angestellte, die entkommen konnten, bevor das Haus einstürzte, stehen weinend und fassungslos auf der Straße, durch die sich tiefe Risse ziehen. In den Trümmern, irgendwo dort, wo vielleicht einmal der vierte Stock gewesen sein könnte, ist plötzlich ein blonder Haarschopf zu erkennen. „Kristy Clemens“, ruft eine Kollegin aufgeregt den Einsatzkräften zu. Auf Fernsehbildern von „3 News“ sieht man kurze Zeit später, wie Rettungskräfte Kristy Clemens mit einer Feuerwehrleiter bergen. Aber bis in die Nacht, berichten dann Augenzeugen, rufen Menschen aus den Trümmern um Hilfe. 200 Angestellte, vermuten die Kollegen, waren zu dem Zeitpunkt noch eingesperrt.

Das Pyne-Gould-Guinness ist eines der am stärksten zerstörten Gebäude in Christchurch, Neuseelands zweitgrößter Stadt. Das Erdbeben mit der Stärke 6,3 hat am Dienstag einen Großteil der Innenstadt in Schutt gelegt. Zahlreiche Büroblocks, ein kleines Hotel und der Turm der Kathedrale stürzten ein. Straßen brachen auf, von der sechsstöckigen Zentrale von Canterbury TV blieben nur noch Trümmer übrig. Linienbusse wurden durch herabfallende Betonteile zerdrückt, ein Tourist wurde in seinem Auto erschlagen. Berichten zufolge schickten Verschüttete verzweifelt SMS an ihre Angehörigen. Und mindestens 75 Menschen sind tot. Die Zahl, das wissen die Behörden, wird noch steigen. Vielleicht erheblich. Der Bürgermeister der Stadt Christchurch, Bob Parker, schätzte in einem Radiointerview die Zahl der Eingeschlossenen auf bis zu 200.

Es traf die 340.000 Einwohner in der Mittagszeit, etwa gegen Mitternacht deutscher Zeit. Die Straßen in Neuseeland waren belebt, die Menschen an ihren Arbeitsplätzen, in Schulen, Cafés, Läden. Mit angstvollen Blicken schildern viele im Fernsehen, wie sie verzweifelt versuchten, ins Freie zu gelangen. Manche konnten den Büros, den Läden entkommen. Andere wurden unter den Trümmern begraben. Ein Mann erzählt in einem Fernsehinterview von einem Jungen, den er nicht retten konnte, weil er bis zu Taille in Trümmern feststeckte. Aber auch auf der Straße waren die Menschen nicht in Sicherheit. Immer wieder zogen rötlich-braune oder graue Staubwolken durch die Stadt, wenn eines der zerstörten Gebäude in sich zusammenbrach.

Die Rettungsarbeiten wurden in der Nacht fortgesetzt. Rettungskräfte und freiwillige Helfer suchten in den Trümmern nach Verschütteten. Immer wieder konnten Menschen unter den Steinbrocken hervorgezogen werden. Immer wieder aber auch mussten die Rettungskräfte ihre Arbeit wegen Nachbeben unterbrechen. Diese erreichten teilweise immer noch eine Stärke von 5,6.

Die Behörden rieten den Bewohnern Christchurchs, die Stadt zu verlassen. Allerdings waren viele Straßen völlig überflutet. Wasser aus geborstenen Leitungen riss alles mit sich. Der Flughafen von Christchurch wurde vorübergehend geschlossen. Die Stromversorgung war ebenso wie die Wasserversorgung weitgehend zusammengebrochen. Die Telefonnetze funktionierten nur sporadisch. In der Innenstadt brach an mehreren Stellen Feuer aus. Außerhalb der Stadt, so ist auf Bildern aus einem Hubschrauber zu sehen, sind Erdhänge abgerutscht, blockieren Felsen die Straßen.

Premierminister John Key sprach am Abend vom „schwärzesten Tag Neuseelands“. Auch er rechnet mit weiteren Opfern. Die Situation sei nichts im Vergleich zu dem Beben vom September. Christchurch war bereits am 4. September 2010 von einem Beben der Stärke 7,0 erschüttert worden. Rund 100.000 Häuser wurden damals beschädigt, Menschen aber kamen nicht ums Leben, obwohl der Erdstoß dieselbe Stärke wie das Beben in Haiti hatte, bei dem 2010 rund 220.000 Menschen starben. Nach Angaben von Seismologen war das Beben am Dienstag trotz seiner geringeren Stärke verheerender als im September, weil das Zentrum der Erschütterung näher an der Erdoberfläche lag. babs/AFP/dpa

Zur Startseite