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New Orleans: "Die Menschen sind nicht mehr sie selbst"

Die Menschen in der einst so prächtigen Hafenstadt New Orleans sind nach der Flut nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die eigentlich so entspannte Art der Einwohner hat sich grundlegend verändert.

New Orleans (02.09.2005, 12:06 Uhr) - Um in dem Chaos zu überleben oder die Stadt verlassen zu können, vergessen sie Gesetz und Gewissen. Von dem berühmten «Big easy» (Die große Leichtigkeit) der Stadt ist nichts mehr zu spüren. New Orleans versinkt nach dem Hurrikan «Katrina» nicht nur im Wasser, sondern auch in der Anarchie.

«Die Menschen sind nicht mehr sie selbst», sagt Michael Bevis. Wie die meisten in New Orleans Zurückgebliebenen kann er beängstigende Geschichten über Morde, Vergewaltigungen und Plünderungen in den Straßen erzählen. Die Menschen würden immer rücksichtsloser - sei es aus Hunger, mangelndem Schuldbewusstsein oder purer Gier.

Plünderungen von Supermärkten sind an der Tagesordnung, mittlerweile toleriert die Polizei Beobachtern zufolge sogar den Diebstahl von Lebensmitteln oder anderen lebenswichtigen Waren. Aber die Räuber wollen mehr, verlassen die Geschäfte zum Beispiel mit Einkaufswagen voller Kleidung. Immer wieder eskaliert die Gewalt in Schießereien zwischen Gesetzesbrechern und Polizisten sowie Nationalgardisten.

Erschüttert sind die Menschen auch von Berichten über die Vergewaltigung eines 13 Jahre alten Mädchens im Convention Center. Eine Frau erzählte dem Nachrichtensender CNN, dem Mädchen seien beide Fußgelenke gebrochen worden. «Wir gingen zur Polizei und dort wurde uns gesagt, wir hätten die Stadt nun einmal vor dem Sturm verlassen sollen - jetzt müssen wir damit leben».

Der Bürgermeister von New Orleans, Ray Nagin, sandte einen «verzweifelten SOS-Ruf». Die Gouverneurin von Louisiana, Kathleen Blanco, hat 40.000 Nationalgardisten angefordert, um für Ordnung zu sorgen. Präsident George W. Bush kündigte «Null Toleranz» gegenüber Plünderern an.

Doch es gibt auch ermutigende Zeichen von Menschlichkeit unter der Bevölkerung. Um sich vor Verbrechern zu schützen, schließen sich Wildfremde zu Gruppen zusammen und teilen ihre spärlichen Essens- und Wasservorräte. «Es gibt ja nirgendwo sonst Hilfe», sagt John Fulton, der als Tourist in New Orleans gestrandet ist. Auf seiner Suche nach einem Weg aus der Stadt hat er viele neue Freunde gefunden. Gemeinsam sind sie stärker, hoffen sie.

Auch die Wut gegen die Verantwortlichen trägt ein wenig zur Verbundenheit bei. Der Staat habe zu langsam reagiert und es seien zu wenig Polizisten dort, um die obdachlosen Menschenmassen in der Stadt zu kontrollieren, lautet die überwiegende Meinung. (Von Klaus Marre, dpa)

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